Vor wenigen Wochen bekannte sich das Sonnentor, der Biospezialist aus dem Waldviertel, öffentlich zur „Gemeinwohl-Ökonomie“, wie sie die Globalisierungskritiker von Attac um Christian Felber definieren. Das sorgte für zum Teil heftige Vorwürfe. „Starke Kritik kam speziell von Großunternehmen, die sagen, das lässt sich nicht umsetzen“, erklärt Johannes Gutmann, der Sonnentor-Chef, im Gespräch mit magzin.at.
630 Punkte bei der „Gemeinwohl-Bilanz“ von Felber
Eine „Gemeinwohl-Bilanz“ des Sonnentors wurde damals erstellt – vom Verein Gemeinwohl-Ökonomie, den Christian Felber initiierte. Diese „Bilanz“ will ein Messinstrument sein, wie sehr sich das Waldviertler Unternehmen tatsächlich am „Gemeinwohl“ orientiert. 630 von 1000 möglichen Punkten auf dieser Skala gab es fürs Sonnentor, das damit international einer der ersten 100 Betriebe war, die eine solche „Gemeinwohl-Bilanz“-Zertifizierung für sich machen ließen.
„Es geht mir um die Idee, die hinter der Gemeinwohl-Bilanz steht“, betont Hannes Gutmann. „Wir haben das als einer der ersten Betriebe in Österreich umgesetzt, weil das unserer Ansicht nach die konsequente Weiterführung der Nachhaltigkeitsberichte ist.“
Nachhaltigkeitsberichte sind oft nur „Greenwashing“
Daraus spricht einige Skepsis. „Nachhaltigkeitsberichte sind oft nur ein Greenwashing per excellence“, meint der Sonnentor-Chef. Das sind für ihn häufig nur eine Art Werbebroschüren auf Ökopapier. Aber ohne echte Aussage über die tatsächliche Nachhaltigkeit eines Wirtschaftsbetriebs.
„Da gibt es zum Beispiel einen Erdölkonzern in Österreich, der mit sehr guten Nachhaltigkeitsberichten bewertet wird. Schöner Bericht. Aber hat Erdöl heute noch irgendetwas mit Nachhaltigkeit zu tun?“ fragt Gutmann. Seiner Ansicht nach wäre der Konzern in dieser Frage nur dann überzeugend, wenn er sein Tankstellennetz bereits heute auch für Elektro-Autos öffnen würde.
Was prüft eine „Gemeinwohl-Bilanz“?
Die „Gemeinwohl-Bilanz“ ist umfassend. Alle Dimensionen eines Unternehmens werden darin auf Nachhaltigkeit geprüft. Ab 500 Punkten gibt es zusätzlich ein Audit vor Ort. Nachhaltigkeit wird, wie in der klassischen Definition, wirtschaftlich, ökologisch und sozial gesehen.
Geprüft werden die Lieferanten (ethische Beschaffung), das Verhältnis zu den Kunden, aber auch Finanzierung und Unternehmensumfeld. Zum Beispiel: Was trägt das Unternehmen zum Gemeinwesen bei?
Wichtig ist außerdem die Qualität der Arbeitsplätze, zu der auch Einkommensgerechtigkeit und die Mitbestimmungsrechte der Mitarbeiter gehören. „Wir wollen den Eigennutzen, den Allgemeinnutzen und den sozialen Nutzen verbinden“, so hat es Gutmann bei vielen Gelegenheiten schon beschrieben.
Weg von der Gier – aber Unternehmer statt Genossenschaften
Hannes Gutmann hat das Sonnentor aufgebaut. 1988 war der Start als Kleinstunternehmen. Heute hat Sonnentor 215 Mitarbeiter und in Österreich über 150 Bio-Bauern, die zuliefern. Und Sonnentor exportiert in 48 Länder weltweit. Gutmann ist also ein erfolgreicher und erfahrener Unternehmer. Ein Praktiker, der die Realitäten der Märkte und der Wirtschaft sehr gut kennt. „Unser Ziel ist es nicht, bei der Gemeinwohl-Bilanz die maximalen 1.000 Punkte zu erreichen“, streicht er hervor. „Denn dann müsste ich eine Genossenschaft aus dem Sonnentor machen. Und alles, was ich aufgebaut habe, verschenken.“ Das will Gutmann aber keineswegs.
Für ihn bleiben Unternehmer und Manager unverzichtbar. „In der Wirtschaft muss einer vorangehen und die Verantwortung übernehmen. Aber der darf nicht gierig sein. Der darf nicht nach dem Motto handeln: Der Rahm gehört mir und die Magermilch teilt ihr euch auf.“ Das aber, so Gutmann, passiert in der Wirtschaft viel zu häufig.
Es müsste aber nicht so sein, ist Gutmann überzeugt. „Sonnentor ist schon lange in Richtung Nachhaltigkeit aufgestellt. Das ist umsetzbar“, sagt er. „Die Erfolge, die man damit erreichen kann, sind messbar und in Zahlen nachweisbar. Es ist ein Traum, was dabei rauskommt.“ Allerdings lasse sich das nicht kurzfristig erreichen und kann kein Betrieb kurzfristig darauf umgestellt werden. „Sonst wird es ein Bauchfleck.“
Nachhaltigkeit – für große und kleine Unternehmen machbar
Gemeinwohl-Ökonomie: Das bedeutet für Gutmann, langfristige Werte als zentrale Werte des Wirtschaftens zu berücksichtigen: Menschenwürde, Solidarität, Kooperation, Verantwortung und Wertschätzung. Nicht der unternehmerische Gewinn allein steht im Vordergrund, sondern genauso Fairness und soziale und ökologische Verantwortung des Unternehmens.
„Es ist immer ein Geben und Nehmen. Und wenn man das begreift, dann funktioniert es. In jedem Unternehmen, ob groß oder klein“, sagt Gutmann. Die Gemeinwohl-Ökonomie baut im Grunde auf den Werten auf, die „auch zwischenmenschliche Beziehungen gelingen lassen“.
Der Vorläufer – das „Bad Blumauer Manifest“. Ersatz für die säumige Politik
Dem Bekenntnis zur Gemeinwohlökonomie vorausgegangen ist beim Sonnentor das „Bad Blumauer Manifest“. Dies war im Jänner 2009 von Hannes Gutmann und den Unternehmern Josef Zotter (Zotter Schokoladen) und Robert Rogner jun. (Rogner Tourismus Betriebe) vorgelegt worden. „Das Bad Blumauer Manifest ist im Prinzip nichts anderes als die Uridee der Gemeinwohlökonomie“, erklärt Gutmann.
Das Blumauer Manifest wurde 2010 auch von Ernst Gugler (gugler), Julia Fandler (Ölmühle Fandler) und Wolf Lüdge (hessnatur) unterzeichnet. „Das war für uns ein ganz normaler menschlicher Zugang, wie wir Wirtschaft verstehen. Und wir setzen damit eigentlich in unseren Betrieben um, was die Politik verabsäumt.“
Viel Traumtänzerisches – warum Gutmann die „Gemeinwohl-Ökonomie“ nicht heiraten will
Keine Sorge. Auch der Gemeinwohl-Ökonomie steht Hannes Gutmann mit eigenem, kritischen Urteil gegenüber. „Es kann nur dann etwas verteilt werden, wenn wir zuvor gemeinsam etwas geschaffen und erwirtschaftet haben.“
Für ihn klafft eine Lücke – zwischen denen, die die Gemeinwohl-Ökonomie theoretisch formuliert haben. Und denen, die sie praktisch verwirklichen – mit eigenen Betrieben und eigenem Risiko in der Wirtschaft. „Wir als Unternehmer sind diejenigen, die das in die Realität umsetzen. Die Gemeinwohl-Ökonomie enthält auch Traumtänzerisches. Sie ist zum Teil realitätsfremd, weil sie von Menschen formuliert wurde, die die reale Wirtschaft nicht hautnah kennen.“
Entscheidend ist für Gutmann aber die Idee, die grundlegende Richtung der Gemeinwohl-Ökonomie. Die stimmt für ihn. Es gehe darum, die guten Anregungen aus der Gemeinwohl-Ökonomie herauszugreifen. Aber nicht darum, sich all ihren Maßstäben zu unterwerfen. „Wie gesagt, eine Genossenschaft will ich nicht werden. Ich will das ganze Ding oder Felber auch nicht heiraten. Es geht mir um die Grundidee. Und dass wir in der Öffentlichkeit darüber viel mehr sprechen. Fair-Trade beginnt in unseren eigenen Häusern.“
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