Die „Gewaltschutzgesetze“ gegen häusliche Gewalt in Familien haben sich bewährt, so der Tenor von Marlies Leitner, der Geschäftsführerin des „Gewaltschutzzentrums NÖ“. Sie zog Bilanz über „15 Jahre Gewaltschutzgesetze“ bei einer Pressekonferenz vor einer Woche in St. Pölten – gemeinsam mit LR Barbara Schwarz, LR Karin Scheele und Vertretern der Polizeibehörde. Aber: Noch viel mehr Aufklärung, Ächtung häuslicher Gewalt, Prävention und Unterstützung der Betroffenen seien notwendig, so Leitner. Denn familiäre Gewalt ist immer noch ein massives Problem in unserer Gesellschaft.
Opfer häuslicher Gewalt – zumeist Frauen und Kinder
„Opfer von häuslicher Gewalt sind zumeist Frauen und Kinder, die Gewalt durch Väter und Beziehungspartner erfahren“, stellte Marlies Leitner unmissverständlich klar. 90 Prozent der Opfer familiärer Gewalt, die vom Gewaltschutzzentrum NÖ betreut wurden und werden, sind Frauen. Dabei sind Frauen in allen sozialen Schichten betroffen und genauso in der Stadt wie auf dem Land.
In Österreich 21 „Betretungsverbote“ pro Tag im Schnitt
Ein Hauptelement der „Gewaltschutzgesetze“ ist das polizeilich angeordnete „Betretungsverbot“. Es verbietet Gewalttätern in der Familie oder Partnerschaft, die gemeinsame Wohnung oder das gemeinsame Haus aufzusuchen. Im Vorjahr, so Leitner, wurden 7993 Betretungsverbote in Österreich verhängt. Das heißt: 21 pro Tag im Schnitt! In NÖ waren es 1135. Das heißt: durchschnittlich 3 pro Tag!
Dabei ist die Zahl der Betretungsverbote in NÖ seit 2001 deutlich gestiegen. Von damals 370 auf 1135. Das heißt ums Dreifache. „Wir erachten das als eine sehr positive Auswirkung der Gewaltschutzgesetze“, so Marlies Leitner. „Denn die Opfer wagen es heute viel öfter und früher, die Polizei zu Hilfe zu holen. Andrerseits werden die Gewaltschutzgesetze – unserer Einschätzung nach – von der Polizei sehr konsequent umgesetzt.“
LR Barbara Schwarz: „Gewalt darf nicht bagatellisiert werden“
An der Pressekonferenz nahmen auch NÖ-Familienlandesrätin Barbara Schwarz und NÖ-Gesundheitslandesrätin Karin Scheele teil. Sowie seitens der Polizei Landespolizeidirektor Franz Prucher und Chefinspektor Andreas Dürauer.
„Jede Form der Gewalt ist abzulehnen“, sagte LR Barbara Schwarz mit allem Nachdruck. „Wir dürfen es keinesfalls zulassen, dass Gewalt in irgendeiner Form bagatellisiert wird. Gewalt ist immer ein Zeichen von Schwäche. Wer wirklich stark ist, ist in der Lage, sich mit seinem Gegenüber, mit seiner Gattin und seinen Kindern auseinanderzusetzen und gute Wege zu finden.“
Opferbetreuung durch die Gewaltschutzzentren – zweites Element der „Gewaltschutzgesetze“
Ein zweites Hauptelement der „Gewaltschutzgesetze“ ist die Opferbetreuung, erklärte Marlies Leitner. Seit 2001 teilt die Polizei die „Betretungsverbote“ den „Gewaltschutzzentren“ mit. Diese kontaktieren daraufhin die Gewaltopfer von sich aus (proaktiv), um Beratung und Betreuung anzubieten – denn, so Marlies Leitner, „alle Gewaltopfer leben nach Gewalthandlungen in Krisensituationen und sind traumatisiert“.
Insgesamt wurden im Vorjahr in Österreich rd. 15.000 Gewaltopfer und Gewaltgefährdete, meist Frauen und Kinder, von Gewaltschutzzentren betreut. In Niederösterreich waren dies 1924.
Häusliche Gewalt gehört enttabuisiert und ist ein gesellschaftlich-öffentliches Problem
„Die Intention der Gewaltschutzgesetze war, dass häusliche Gewalt enttabuisiert wird“, sagte Leitner weiters. „Und dass häusliche Gewalt als Problem der öffentlichen Sicherheit anerkannt wird, das eine staatliche Intervention erfordert, um Gewalt zu verhindern.“
Damit sei zurecht „klargestellt worden, dass Gewalt gegen Frauen und Kinder ein gesellschaftliches Problem ist“ – um das sich die Gesellschaft aktiv und offensiv kümmern müsse. So Leitner. Gewalt dürfe keinesfalls als alleiniges, privates Problem der gewaltbetroffenen Frauen gesehen werden.
Noch mehr Schritte im Kampf gegen häusliche Gewalt sind notwendig: Informationskampagnen
Im Kampf gegen häusliche Gewalt seien dennoch weitere Schritte und Konsequenzen notwendig, die über das bisher Erreichte hinausgehen und die Intention der „Gewaltschutzgesetze“ mit weiterem Leben erfüllen. Leitner stellte das in drei neuen Forderungen dar:
„Die Gewalt muss sichtbar gemacht und klar als Unrecht benannt werden.“ Es sollte daher, so Leitner, in der Öffentlichkeit laufend Infomationskampagnen geben, „um dem Verschweigen und Bagatellisieren häuslicher Gewalt entgegenzuwirken“. Aber auch, damit Frauen wissen, dass sie und wo sie Hilfe erhalten können.
Berufsgruppen müssen geschult werden
Zweitens: „Gewalt ist nie zu rechtfertigen“, so Leitner. Täter hätten stets „Gründe“, ihr Tun zu rechtfertigen. Das Geschehen werde stets überdeckt. Daher seien Schulungen verschiedenster Berufsgruppen erforderlich, um die „Dynamiken häuslicher Gewalt“ verstehen und erkennen zu lernen und „vertraut zu werden mit Gefährlichkeitseinschätzungen“.
Intensivere Kooperation, um mehr Gewaltverbrechen abzuwenden
Und drittens: Intensivere Kooperationen aller betroffenen Behörden und Einrichtungen sollten eingerichtet werden, um die Gefährdungssituation für Frauen und Kinder besser einschätzen und entsprechend handeln zu können. Gewalthandlungen und Gewaltverbrechen im familiären Umfeld könnten dadurch häufiger verhindert werden. „Denn wir wissen“, so Leitner, „dass Frauen in gewaltbelasteten Beziehungen in Zeiten von Trennung oder Scheidung ein fünffach erhöhtes Risiko haben, schwerst misshandelt oder ermordet zu werden.“
weitere Infos zum Gewaltschutzzentrum NÖ unter:
www.gewaltschutzzentrum-noe.at
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