EU-Industrie- und Energiekommissar Günther Oettinger, vormals CDU-Ministerpräsident von Baden-Württemberg, hat die Forderung von Umweltminister Niki Berlakovich aufgegriffen: Alle AKW in der EU sollen einem „Stresstest“ unterzogen werden. Stresstest meint Belastbarkeitsprüfung. „Diese Sicherheitschecks müssen rasch erfolgen. Es muss sich dabei um eine strenge, kontrollierte und tabulose Prüfung handeln“, sagte Berlakovich gestern. Der Atomlobby müsse klar sein, dass dies „keinesfalls ein Freibrief“ sei.
Berlakovich und Faymann für AKW-Stresstests in der EU
Es soll dabei einheitliche Prüfstandards geben. Und staatliche, nicht private Institute sollen die Kontrollen vornehmen. Allerdings beruht der Stresstest, wenn er denn wirklich kommt, auf Freiwilligkeit. Unbeanwortet blieb vor allem die Frage: Welche rechtliche Handhabe es geben würde, ein EU-Nachbarland – nach einem Stresstest – zur Abschaltung eines mangelhaften AKW zu bringen?
Unterstützung im Anti-Atom-Kurs für Europa äußerte gestern auch Bundeskanzler Werner Faymann: „Wir wollen die Sicherheitsstandards erhöht haben. Und wenn Atomkraftwerke diesen Standards nicht mehr entsprechen, müssen sie sofort abgeschaltet werden.“ Alle Kernkraftwerke in Erdbebenzonen müssten sofort geschlossen werden, sagte er auch in Hinsicht auf das slowenische Kernkraftwerk Krsko.
Faymann erinnerte aber auch an die Schwerkraft der wirklichen Verhältnisse: „Die Atomlobby ist einer der stärksten der Welt und verfügt über sehr viele Geldmittel.“ Eine Ausstieg sei daher „ein gewaltiger Kraftakt“.
Berlakovich: Deutsche Laufzeitverlängerung war fatale Fehlentscheidung
Faymann und Berlakovich begrüßten die Entscheidung der deutschen Bundesregierung, die sieben ältesten Atommeiler vorübergehend stillzulegen. Berlakovich sprach von einem Etappensieg. „Die AKW-Laufzeitverlängerung in Deutschland war ein enttäuschendes Signal und eine fatale Fehlentscheidung, gegen die ich vom ersten Tag an massiv eingetreten bin.“ Vor allem für das veraltete AKW Isar 1 in Bayern, 100 Kilometer von Oberösterreich entfernt, habe er stets die sofortige Abschaltung, zumindest aber die technische Nachrüstung gefordert.
Faymann meinte, ein Aussetzen von drei Monaten würde nicht genügen. Man dürfe nicht wieder zur Tagesordnung zurückkehren, wenn die aktuelle Diskussion in Deutschland abebbt. In Richtung Grüne, die jetzt eine EU-weite Volksabstimmung über einen Atomausstieg fordern, formulierte er: „Der Vorschlag geht in die richtige Richtung.“
Mitterlehner: Neu-Evaluierung, aber keine übereilten Konsequenzen
Auch Wirtschafts- und Energieminister Reinhold Mitterlehner sprach sich für eine Neubewertung der europäischen Energiepolitik aus. „Prinzipiell liegen wir mit der Energiestrategie in Europa richtig. Es ist noch verfrüht zu sagen, welche Konsequenzen aus den Ereignissen in Japan zu ziehen sind, aber wir brauchen eine Evaluierung in der europäischen Energiepolitik“, so Mitterlehner. Wichtig seien jedenfalls neue Netze, der Ausbau der Pumpspeicherkraft, aber auch eine schnelle Verwirklichung der Gaspipeline Nabucco.