Bund und Länder lassen die Reformpädagogik schwer im Stich

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Die Vorreiterrolle der Reformpädagogik wird inzwischen allgemein anerkannt. Finanziell ist die Unterstützung durch Bund und Länder aber äußerst gering. (© K. Hruza, Wien)

Reformpädagogische Schulen in Österreich sind dramatisch unterfinanziert. Bund und Länder bezuschussen nur 20 Prozent ihrer Kosten. Eine weitere Kürzung droht. Mit einer Bürgerinitiative wollen die Reformpädagogen nun freie Schulwahl und finanzielle Gleichstellung mit den öffentlichen Schulen erstreiten. Auch die in NÖ.

Die reformpädagogischen Schulen Österreichs sind dramatisch unterfinanziert. Reformpädagogik? Das sind die Waldorf- und Montessori-Einrichtungen und andere ähnlicher Art. „Wir bekommen inzwischen viel Anerkennung in Worten, da wir eine pädagogische Vorreiterrolle haben. Eine finanzielle Anerkennung bleibt uns aber versagt“, erklärt einer ihrer Sprecher im Interview mit Moderne Region.

Ein Wunder, dass die Reformpädagogik noch nicht tot ist

1000 Euro steuert der Bund pro Jahr und Schüler den Reformpädagogen zu. Das 5-fache wäre notwendig. Statt 100 Prozent Finanzierung wie bei den öffentlichen Schulen gibt es somit nur 20 Prozent. Aber selbst das Wenige ist in Gefahr. Eine weitere Kürzung des Bundeszuschusses droht – auf 800 Euro, weil das Budget vom Ministerium eisern gedeckelt wird.

Eltern zahlen doppelt und leisten viel ehrenamtliche Arbeit

Dass die Reformpädagogik in Österreich nicht schon längst tot ist, darf verwundern. Am Laufen gehalten hat sie der Idealismus der Eltern und Pädagogen – unermüdlich viel unbezahlte, ehrenamtliche Arbeit. Und die Entrichtung von extra Schulgeld. „Das heißt, die Eltern zahlen zwei Mal. Einmal als Steuerzahler für das staatliche Schulsystem. Und das zweite Mal extra für die reformpädagogische Privatschule.“

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Kreativität und individuelle Förderung stehen ganz im Vordergrund der Reformpädagogik. (© K. Hruza, Wien)

Und das ist nicht wenig. 250 bis 400 Euro müssen die Eltern monatlich hinlegen. „Eine parlamentarische Anfrage hat ergeben, dass sich der österreichische Staat jedes Jahr 17,5 Millionen Euro durch die freien Schulen erspart“, berichtet der Sprecher.

Auch die Länder geben nur Almosen

Klar ist, dass diese Sparkonstruktion auch eine soziale Barriere schafft. Eltern mit geringem Einkommen können sich die Reformpädagogik aus dem Kopf schlagen. Für sie ist sie unbezahlbar. Was aber, wenn sie den Kindern bessere Bildungschancen und später größeren Berufserfolg ermöglichte?

Die Unterfinanzierung ist kein Problem des Bundes allein. Auch die Länder machen die Reformpädagogen mürbe und darbend. Zum Beispiel erhalten in Niederösterreich die reformpädagogischen Schulen für Sachkosten 90 Euro pro Jahr und Schüler. „Das ist ein Almosen“, sagt der Sprecher. Um die tatsächlich anfallenden Kosten zu decken, wären wenigstens 500 Euro erforderlich.

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Rund 1000 Besucher kamen im Vorjahr zum NÖ-Reformtag 2010 nach St. Pölten / Pottenbrunn. (© E. Amann-Ölz)

Bürgerinitiative „Freie Schulwahl“ gestartet – mit Online-Petition

30 Jahre wurde mit Bund und Ländern verhandelt. Ohne irgendeine nennenswerte Besserung. Die Reformpädagogen haben daher jetzt die Bürgerinitiative „Freie Schulwahl“ gestartet. Jeder kann sie online unterstützen (s. Infokasten unten). „Unsere einfache Botschaft ist, gleiche Startbedingungen für alle Schulen.“ Alle, auch die reformpädagogischen, sollen die „gleichen finanziellen Ressourcen erhalten, um gute Arbeit zu leisten“. Die gleichberechtigte öffentliche Finanzierung soll zum Rechtsanspruch werden.

Ein anderer Kernpunkt der Bürgerinitiative ist die Abschaffung der Schulsprengel-Pflicht. Denn freie Schulwahl gibt es in Österreich nur innerhalb des Schulsprengels, in dem man wohnt. Das ist ein gewaltiges Hemmnis für die Reformpädagogen. Die Möglichkeit zur Schulwahl über den Sprengel hinaus würde auch die Finanzierung ihrer Einrichtungen erleichtern. Und Eltern allenorts ganz neue Alternativen öffnen. Und besonders auch ländlichen Regionen einen Zugang zur Reformpädagogik schaffen.

Freie Schulwahl – von der Europäischen Menschenrechtskonvention vorgeschrieben

Es geht dabei um eine grundlegende Novellierung des Privatschulgesetzes von 1962. Dieses ist offenbar nicht mehr, wie so manch anderes, ganz frisch. Jedenfalls ist das Recht freier Schulwahl inzwischen in der Europäischen Menschenrechtskonvention festgeschrieben. Die will die Bürgerinitiative nun in Österreich zum Durchbruch bringen. Am 6. April gibt es zu diesem Zweck eine Protestaktion vor dem Parlament in Wien. Dort sollen dann die gesammelten Unterschriften der Bürgerinitiative an Politiker übergeben werden.

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Reformpädagogik: 26 Schulen und 42 Kindergärten und -gruppen in freier, privater Trägerschaft gibt es allein in Niederösterreich.

Reformpädagogik kennenlernen – NÖ-Reformtag bei Bad Vöslau

Wer mehr wissen möchte, kann Niederösterreichs Reformpädagogen wenige Tage später besuchen – beim noe:reform.tag 2011 in der Nähe von Bad Vöslau. Fast alle ihrer 28 Schulen und 42 Kindergärten und Kindergruppen sind dort vertreten, um Besuchern ihre Arbeit zu zeigen. „Bei uns steht nicht die klassische Wissensreproduktion im Mittelpunkt“, erklärt der Sprecher.

Und weiter: „Wir begleiten die Kinder respektvoll bei ihren individuellen Lernprozessen. So bleibt die Lernfreude der Kinder erhalten, das im Regelschulsystem verloren geht. Denn ein Lernen unter Druck, Stress und Angst funktioniert nicht. Bei uns wird Lernen ganz anders verstanden.“

weitere Informationen:
Bürgerinitiative „Freie Schulwahl“ – Online-Unterstützungserklärung: www.freieschulwahl.at
„noe:reform.tag“ in Schönau an der Triesting am 9. April 2011: www.zukunftbildung.net
Reformpädagogische Schulen, Kindergärten und -gruppen in Niederösterreich: www.zukunftbildung.net