Seit dem Wochenende dürfen Lebensmittel und Futtermittel, die aus Japan importiert werden, eine höhere radioaktive Belastung haben. Die zulässigen Grenzwerte wurden dafür von der EU-Kommission hochgesetzt – nach Zustimmung der Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten. Bei einigen Lebensmitteln wie Gewürzen darf die Strahlenbelastung jetzt sogar 20-fach über dem sonst zulässigen Höchstwert liegen.
Die EU-Eilverordnung, die von Österreich und anderen EU-Mitgliedsstaaten übernommen wurde, ist am Sonntag in Kraft getreten. Sie beinhaltet eine Ausnahmeregelung für Japan. Die sonst für Lebensmittel und Futtermittel geltenden gesetzlichen Höchstwerte radioaktiver Belastung dürfen bei japanischen Importprodukten ab sofort überschritten werden. Die EU beruft sich dabei auf eine „nukleare Notstandssituation“.
Erlaubter Grenzwert nun zum Teil 20-fach höher
Statt einer, wie Greenpeace heute mitteilte, maximalen Cäsium-Belastung (Cs 134 und 137) von 370 Becquerel / Kilogramm (Bq/kg) für Säuglingsnahrung und Milcherzeugnisse sowie 600 Bq/kg für andere Lebensmittel sind nun für japanische Importprodukte deutlich höhere Grenzwerte zulässig: 400 Bq/kg für Säuglingsnahrung, 1000 Bq/kg für Milcherzeugnisse und Getränke und 1250 Bq/kg für alle anderen Nahrungsmittel.
Ganz besonders problematisch ist eine weitere vierte Gruppe, die nach Zollstatistik als „Lebensmittel geringer Bedeutung“ bezeichnet wird. Dazu gehören, so Greenpeace heute im Gespräch mit Moderne Region, u.a. Gewürze, Ingwer und „Gummi-Arabicum“, das als Lebensmittelzusatzstoff verarbeitet wird. Nach der neuen EU-Eilverordnung ist für diese nun sogar eine Strahlenbelastung von bis zu 12.500 Bq/kg zulässig. Das 20-fache des normalerweise geltenden Grenzwerts erlaubter Radioaktivität.
Gesundheitsministerium: Keine gesundheitliche Gefährdung
Das Gesundheitsministerium in Wien bestätigte auf Anfrage, dass die EU-Verordnung auch in Österreich in Kraft getreten ist. Die Verordnung gelte für die Dauer von drei Monaten, sagte Pressesprecher Thomas Kvicala gegenüber Moderne Region. Österreich habe der Verordnung im Ausschuss der EU-Kommission nicht zugestimmt, wie auch zwei weitere EU-Mitgliedsstaaten.
Die erhöhten Grenzwerte bedeuteten aber „noch lange keine Gesundheitsgefährdung“, betonte Kvicala. Österreich werde sich dennoch in der EU stark machen, die Grenzwerte für Produktimporte aus Japan möglichst rasch wieder abzusenken.
Vereinbart worden sei, dass der zuständige Unterausschuss der EU-Kommission monatlich neu entscheidet, ob und wie die Sonderregelung fortgesetzt wird. Dazu gebe es, so Kvicala weiter, eine laufende Evaluierung durch EU und die EU-Mitgliedsstaaten.
Mit der EU-Verordnung vom Sonntag sei nun erstmals aber auch eine EU-weit einheitliche Einfuhrkontrolle für japanische Waren und der Austausch der Daten zwischen den Mitgliedsstaaten verbindlich festgelegt worden. Das bewertet das Gesundheitsministerium positiv.
Greenpeace: EU-Eilverordnung ist verantwortungslos
Die Konsumentensprecherin von Greenpeace, Claudia Sprinz, bezeichnete die EU-Eilverordnung als verantwortungslos und im Widerspruch zu geltendem EU-Recht. Nach Ansicht der Umweltorganisation besteht keine Verpflichtung für Österreich, die EU-Eilverordnung zu übernehmen.
„Mitgliedstaaten sind berechtigt, Ausnahmen von europäischen Regelungen dann zu treffen, wenn die Gesundheit von Menschen betroffen ist. Das ist im vorliegenden Fall zutreffend“, so Greenpeace. Die Umweltschützer fordern das österreichische Gesundheitsministerium daher auf, die Grenzwerterhöhung für Japan zurückzunehmen.
Kritik von NGOs auch an Deutschland
Auch die deutsche Bundesregierung hat die EU-Eilverordnung übernommen, teilten die deutsche foodwatch und das Umweltinstitut München heute mit. „Die Landwirtschaftsministerin redet nur von verstärkten Kontrollen und verschweigt, dass gleichzeitig die Sicherheitsstandards für japanische Lebensmittel gesenkt wurden“, kritisierten die beiden.
Als ganz besonders problematisch sehen die deutschen NGOs den Grenzwert von 12.500 Bq/kg für die vierte Lebensmittelgruppe, zu der u.a. Gewürze und Fischöl gehören. Bei dieser wird, rechnen auch sie vor, die sonst EU-weit geltende Obergrenze radioaktiver Belastung um das 20-fache überschritten.