Der Vormarsch der Kultur auf dem Lande – die NÖ-Kulturszene zu Gast bei den Agrariern

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Das Kulturbudget des Landes NÖ hat sich seit 1992 verdreifacht. Was aber bringt Kultur der ländlichen Region? Interessante Antworten gab es letzten Freitag bei der „Plattform ländlicher Raum“ in St. Pölten. Die Abteilung Landentwicklung hatte Vertreter der Kulturszene zur Diskussion ins Landesmuseum geladen.

Kultur, hieß es da, lockt viele zahlende Touristen nach NÖ, schafft Lebensqualität in den Gemeinden, verringert die Abwanderung und ist Standortfaktor für internationale Investoren. Aber auch: Ohne Geld keine Musi‘ in der Regionalkultur.

Das Donaufestival Krems – weltweite Ausstrahlung

Rede und Antwort stand der – 1968 in Salzburg geborene – Intendant des Donaufestivals Krems, Tomas Zierhofer-Kin. Er setze ganz bewusst in Krems auf ein künstlerisches Avantgarde-Programm, das „auch in London oder in New York noch spannend wäre“. Besucher aus 26 Ländern, darunter Neuseeland und Japan, bereisten jedes Jahr das Donaufestival. „Wir versuchen, eine starke Konkurrenz zu Wien einzugehen, und etwas zu machen, was international ausstrahlt.“ Eine Besuchererhebung habe aber überraschend gezeigt, dass auch viel Publikum aus Krems und Niederösterreich zur Avantgarde-Kunst komme. Zu fast 50 Prozent stammten die Gäste allerdings aus Wien.

Kultur als Mittel gegen Abwanderung …

Landesrat Joseph Pernkopf, zuständig für Umwelt, Landwirtschaft und Energie in Niederösterreich, brachte die Diskussion auf einen neuralgischen Punkt: die Abwanderung in vielen Landgemeinden. „Es ist uns ein großes Anliegen“, so Pernkopf, „dass die Menschen im ländlichen Raum bleiben. Dazu muss die Lebensqualität stimmen.“

Ein reichhaltiges Kulturangebot trage dazu bei, dass die Menschen gerne auf dem Land leben. Die Entwicklung in den letzten 20 Jahren in NÖ sei diesbezüglich einzigartig. „Es gibt Bodenständiges bis hin zur Avantgarde. Und wir sollten diesen Weg auch weitergehen.“

… erhöht die regionale Wertschöpfung

Eine Kernaufgabe des ländlichen Raumes bleibe natürlich die Nahrungs- und Lebensmittelproduktion. Aber auch die Kultur trage „sehr stark zur regionalen Wertschöpfung bei“, so Christian Steiner, der Leiter der Abteilung Landentwicklung.

In Niederösterreich gebe es überwiegend ländliche Gemeinden – 453 von insgesamt 573 – mit rund 53 Prozent der Gesamtbevölkerung. Daher habe die Entwicklung des ländlichen Raumes besondere Bedeutung. „Kultur und Wissen“ ist in der „Niederösterreichischen Charta für den ländlichen Raum“ als ein Kernbereich der Landentwicklung verankert. Mit der „Plattform ländlicher Raum“ werde versucht, erklärte Steiner, Impulse für die Umsetzung der Charta zu geben.

„Ohne Geld, keine Musik“

„Man sieht, dass in NÖ was weitergeht“, meinte Didi Jäger von der Volkskultur NÖ. Etwa bei den Musikschulen, von denen inzwischen 107 im Bundesland bestehen. Nicht nur Volksmusik, sondern auch Popularmusik und Klassik würden durch diese gefördert. Mit guten Erfolgen bei bundesweiten Musikwettbewerben.

Rund 52 Prozent der Tagestouristen in Niederösterreich kämen wegen Kulturveranstaltungen, so Jäger weiter. Künftiges Ziel sollte sein, Kultur mit Kulinarik, Landwirtschaft und anderen Bereichen stärker zu verknüpfen. „Eine Qualitätssteigerung und ein Mehrwert ist, wenn es sozusagen ein Gesamtereignis gibt. Plakativ gesprochen: ein Gesamterlebnis für unsere Gäste.“

Die Kultur, die von den Menschen in den Regionen komme, bedürfe der Wertschätzung durch die Politik, betonte Andreas Nastl, Stadtrat in Langenlois und selbst Schriftsteller. Diese Wertschätzung müsse aber durch finanzielle Förderung ausgedrückt werden, nicht bloß durch Worte und Applaus. „Auch kleine Kulturprojekte brauchen Geld. Sonst läuft da nichts. Ohne Geld, ka Musi‘. Man muss das klar aussprechen.“ Außerdem sei es wichtig, ein breiteres Spektrum an Kultur auf das Land zu bringen.

Kultur ist Standortfaktor für internationale Unternehmen

Das Land verfolge im Kulturbereich eine erfolgreiche Doppelstrategie, legte Hermann Dikowitsch, stellvertretender Leiter der Abteilung Kultur und Wissenschaft des Landes NÖ, dar. Einerseits mit den landeseigenen Kulturbetrieben – insgesamt 27, darunter das Festspielhaus und das Landesmuseum. Andererseits mit sehr vielen geförderten Kulturangeboten in die Regionen hinein. Darunter 730 Museen, 700 Volkskulturvereine und 1.400 Chöre.

Das Kulturangebot sei, so Dikowitsch, mittlerweile auch ein wichtiger Standortfaktor bei Investitionsentscheidungen der Wirtschaft. „Wir sind inzwischen in der Situation, dass große Unternehmen fragen, wie ist das kulturelle Angebot bei euch, was können wir unseren Mitarbeitern dort bieten?“ Darüber hinaus sei das Kulturangebot wichtig für den Tourismus. Rund 85 Mio. Euro werden jährlich von Kulturtouristen in Niederösterreich ausgegeben.

„Eine unglaubliche Begeisterung, das Leben selbst zu bestimmen“

Wichtige quergedachte Ansichten brachte Anton Rohrmoser, Kultur- und Bildungsvermittler aus Gföhl. Ein grundlegender Paradigmenwechsel wäre wünschenswert, weg von reiner Wirtschaftsorientierung hin zur Erzeugung kultureller Güter. „Kultur ist unglaublich wichtig. Kulturelle Werte sind zu vermehren. Kultur hat auch viel mit Ethik zu tun.“

Man dürfe nicht zulassen, dass Kulturarbeiter wenig verdienen und Bankangestellte viel. Der Wert der Kultur in den Regionen zeige sich, so Rohrmoser, „an der unglaublichen Begeisterung der Menschen, an diesen Projekten mitzumachen und mehr Lebensqualität dadurch zu erhalten, dass sie ihr Leben selber stark mitbestimmen können.“

Thomas Mitterstöger und die Kulturvernetzung als Organisatoren

Organisiert wurde die exzellente Veranstaltung von Thomas Mitterstöger (Abteilung Landentwicklung), verantwortlich für die „Plattform ländlicher Raum“, unter tatkräftiger Mitwirkung der Kulturvernetzung NÖ. Deren Geschäftsführer, Josef Schick, leitete die Podiumsdiskussion.

Am Podium beteiligt waren auch Manuela Seidl, die Intendantin des „Komödienherbst Niederösterreich“ in Gmünd, und die Malerin Irena Racek, deren Projekt „Malen mit der Farbe der Erde“ inzwischen grenzüberschreitend läuft. Auf eine „verborgene Qualität im Regionalen“ hatte wohl zu Recht Carl Aigner, der Direktor des Landesmuseums und Gastgeber, in seinen einleitenden Begrüßungsworten hingewiesen.

Weitere Informationen unter:
www.noe-laendlicher-raum.at/plattform.php