Das „10. Schiele Fest NÖ“ steht bevor. Gespielt wird schon seit 2009 in St. Pölten und nicht mehr in Neulengbach. „Wir grenzen uns bewusst ab von touristischen, aber auch von hochkulturellen Veranstaltungen“, sagt Eva Brenner im Gespräch mit magzin.at. Die Wienerin Eva Brenner hat das Egon-Schiele-Fest gegründet und leitet es heute noch.
Schiele im Gefängnis – Symbol des Anfangs moderner Kunst
Entstanden ist das „Schiele Fest“ in Neulengbach. Denn Schiele war dort von 1910 bis 1912 zu Hause. Mit Gustav Klimt und Oskar Kokoschka war Schiele, heute weltberühmter Maler des damals ganz neuen Expressionismus, einer der großen Wegbereiter der modernen Kunst in Österreich. 1890 wurde Schiele in Tulln (NÖ) geboren. 1918 verstarb er in Wien.
In Neulengbach landete Schiele 1912 aber auch im Gefängnis. 21 lange Tage in Untersuchungshaft – fälschlich angeklagt der Verführung einer Minderjährigen. Denn er malte auch Akte. Wagte ganz neue Blicke auf Körper und Erotik. Sein Werk war „ein ungeheurer Aufbruch zur Sprengung des traditionellen Kunst- und Erotikbegriffs“, würdigt dies heute das „Schiele Fest“.
„Eva Brenner hatte die Idee geboren, am Ort und rund um dieses Ereignis, dass Schiele eingesessen hat, eine künstlerische Assoziation ins Leben zu rufen“, sagt Monika Anzelini, Pressesprecherin des MUSA in Wien und auch des „Schiele Festes“, im Gespräch mit magzin.at. Mit dem Ziel, Künstler verschiedenster Bereiche einzuladen, um über und an Bildern von Schiele zu arbeiten.
Leander Kaiser – Körper, Erotik und Sensibilität
Das Schiele Fest NÖ 2011, das am 15. September stattfindet, hat drei Veranstaltungsteile. Eröffnet wird im Stadtmuseum um 18.00 Uhr die Ausstellung „education sentimentale“. Sie zeigt Werke in Öl von Leander Kaiser. Der international erfolgreiche Künstler stammt aus Tirol und lebt seit langem in Wien.
„Leander Kaiser bezieht sich auf Schiele hauptsächlich als figuralem Maler und modernen Künstler, der sich mit der Sexualität, dem menschlichen Körper und den Beziehungen zwischen Menschen beschäftigt. Mit Sensibilität und Erotik, auch der verhinderten Erotik“, erläutert Eva Brenner.
Schiele, Picasso und die Kindfrau
Zwischen Kaisers Werken und denen Schieles besteht keine Ähnlichkeit der Formsprache. Aber Kaiser hat sich intensiv persönlich und ästhetisch mit Schiele befasst. Er spricht dazu kurz im „Schiele Talk of Town“, um 20.00 Uhr im Café Schubert. Betitelt: „Schiele und Picasso – die Kindfrau …“.
Generell gilt für das Schiele Fest und seine Künstler, nicht Nachahmung, sondern die künstlerische Auseindersetzung mit Egon Schiele ist gewollt. „Wir sehen Schiele als zeitgenössischen Künstler. Und fragen, was er heutigen Kunst- und Kulturschaffenden sagt. Welche Aspekte heute noch eine Spannung und einen Erregungswert haben“, so Brenner.
„Körperlicht und Schlüsselpein“ – avantgardistische Performances als Straßentheater
Straßentheater mit avantgardistischen Performances ist der zweite Teil des Schiele Festes. Um 20.30 Uhr geht es los, am Herrenplatz, unter dem Titel: „Hinter den Masken: 7 Tabus“. Schieles Kunst ist Enthüllung. Und fordert Enthüllung. So wird es hier verstanden. Enthüllung auf der menschlich-persönlichen Seite – von Wünschen, Träumen und Idealen eines besseren gemeinsamen Lebens.
Und Enthüllung der Kräfte, die dieses persönliche Leben verhindern – nämlich gesellschaftliche Vorurteile, falsche Normen und Werte. Enthüllt werden soll, um zu verändern. Theaterszenen und Texte u.a. von Jean Genet und Egon Schiele sind da zu hören und zu sehen. Zwei Kurzstücke von Katharina Tiwald gibt es als Uraufführung: „Schiele-Hände – körperlicht & schlüsselpein“.
Straßentheater war von Anfang an das Hauptkonzept des Festes. Genauer: Theatralische, musikalische und multimediale Rauminszenierungen. Sie werden von der Straße auch in die umliegenden Schanigärten, Beisl und Geschäfte hineingetragen. „Das Prinzip des Schiele Festes war immer, kein starres Theaterkonzept zu befolgen, sondern ein offenes Konzept zu haben, so dass Zuschauer genauso wie Passanten ein Teil des Ganzen werden“, erläutert Anzelini.
Verzichtet wird heuer auf den Prozessionscharakter des Festes – die langen Wege durch die Stadt. Alles findet am Herrenplatz statt. Dort folgt dann eine Party zum Ausklang.
Gedenken an Peter Kreisky
Zu Beginn des Schiele Festes wird Peter Kreisky gedacht. Der Sohn des Altbundeskanzlers Bruno Kreisky ist im Dezember verstorben. Im Rathaus St. Pölten sind ab 17.00 Uhr Auszüge des Filmes „Nebenan: Peter Kreisky“ von Radovan Grahovac (Okto 2008) zu sehen. Und weitere filmische Interviews, in denen Peter Kreisky über die Beziehung seines Vaters zu St. Pölten spricht. Paul Gulda begleitet die Gedenkfeier mit Klaviermusik. Bürgermeister Matthias Stadler und andere Politiker werden teilnehmen.
Schiele-Fest – im Fluss und kontroversiell
Sehr bescheiden, experimentell, fast spontanistisch hatte das Schiele Fest vor 10 Jahren begonnen, erinnert sich Eva Brenner. Auch Peter Kreisky hatte es viel unterstützt. „Es ist nie etabliert geworden. Ich finde es ganz wichtig, dass das Fest im Fluss und kontroversiell bleibt, im Schnittpunkt zwischen Avantgardismus und moderner Kunst.“
Das Ensemble kommt mehrheitlich aus Wien. Aber auch Künstler aus St. Pölten und einige aus dem Ausland sind dabei. „Das sind großteils junge Künstler und Künstlerinnen, auch mit migrantischem Hintergrund“, sagt Brenner. Bekannte und noch weniger bekannte Kreative und verschiedene Kunstformen arbeiten zusammen.
„St. Pölten hat sich stark verändert“ – ein junges, dynamisches Publikum
„St. Pölten hat sich enorm verändert. Da ist viel geschehen. Da gibt es ein junges, dynamisches Publikum. Das Schiele Fest ist hier sehr gut aufgehoben“, sagt Brenner. Im nächsten Jahr will sie das Fest vergrößern, auf zumindest zwei Tage. Mehr Künstler vor Ort sollen einbezogen werden. Auch Schulen dann.
St. Pölten kann sich freuen. Denn Kunst, die modern und avantgardistisch ist, stößt auf großes Interesse. Nicht nur bei der Jugend. Auch bei Kreativen und in den Großstädten. Das lockt Touristen. Und trägt zu einem modernen, weltoffenen Image bei, was heutzutage bekanntermaßen auch jedem Wirtschaftsstandort sehr zugute kommt. Wien und Linz haben das längst vorgemacht. Und auch Krems, klug unterstützt vom Land NÖ, zeigt das deutlich.
Bild Egon Schiele: Kardinal und Nonne, 1912 – Leopold Museum Wien;
Fotos: © Pro & Contra – Verein für interkulturelle Aktivitäten