Niederösterreich ist, neben dem Burgenland, der große Vorreiter der Energiewende in Österreich. Und verfolgt große Ziele beim Ausbau der Erneuerbaren Energien, um die Klimaschutzziele zu erreichen. magzin.at befragte NÖ-Energielandesrat Stephan Pernkopf in einem Interview: Wie steht es um Windkraft, Photovoltaik, Klein- und Großwasserkraft und Biomasse in NÖ? Muss auch Biosprit weiter forciert werden? Wird NÖ seine Ziele erreichen?
„Die Windkraft wird den größten Zuwachs bringen“ – Interview mit NÖ-Energielandesrat Stephan Pernkopf
magzin.at: Herr Landesrat. Das Ziel des Landes NÖ lautet: Ab 2015 soll der Strom, den NÖ verbraucht, zu 100 Prozent aus Erneuerbaren Energien stammen. Welche Erneuerbaren Energien spielen dabei in NÖ eine große Rolle?
LR Stephan Pernkopf: Mengenmäßig wird die Windkraft bis 2015 den größten Zuwachs bringen. Grundsätzlich brauchen wir aber alle Formen der Erneuerbaren Energien, um unser Ziel zu erreichen.
Wir forcieren die Revitalisierung der Kleinwasserkraft. Und natürlich ist die Photovoltaik wichtig. Auch bei der Photovoltaik ist NÖ ein Vorreiter mit demnächst 14.000 kleineren Anlagen auf den Dächern von Einfamilienhäusern, Betrieben und Landwirtschaften. Das hat eine große Symbolwirkung.
Solarkraftwerke mit Bürgerbeteiligung – Start in Zwentendorf sehr gut angelaufen
magzin.at: Eine besondere Symbolwirkung könnten auch die „Bürger-Solarkraftwerke“ entfalten, deren erstes Sie jetzt in Zwentendorf initiiert haben – gemeinsam mit der EVN. Bürgerinnen und Bürger können da Anteile am Solarkraftwerk erwerben und sich so an der Energiewende beteiligen. Wie läuft das an?
Pernkopf: Das ist sehr gut angelaufen. Die Anteile für unsere erste Bürgerbeteiligungsanlage in Zwentendorf – auf dem Gelände des nie in Betrieb gegangenen AKW Zwentendorf – waren in wenigen Tagen ausverkauft.
Für mich ist das ein ganz wichtiger Punkt: Alle müssen Anteil haben können an der Energiewende. Daher wollen wir bei Sonnenstrom aus Photovoltaik diese Bürgerbeteiligungsanlagen anbieten – für Bürger, die nicht die Möglichkeit haben, das am eigenen Haus zu tun. Wir haben noch weitere Grundstücke in Obsorge, die dafür genutzt werden könnten.
„Seit Fukushima hat ein Umdenken stattgefunden“ – NÖ bei Windkraft führend
magzin.at: Niederösterreich ist führend bei der Windkraft in Österreich. Nur das Burgenland ist mitgezogen. Alle anderen Bundesländer sind weit zurück. Warum ist NÖ bei der Windkraft so überaus fortschrittlich? Was ist da passiert?
Pernkopf: Wir haben uns in NÖ rechtzeitig für die Windkraft entschieden und auch im Bereich Raumordnung rechtzeitig die Voraussetzungen für die Windkraft geschaffen. Wobei ich großen Wert darauf lege, dass jede Region, jede Gemeinde selbst entscheiden kann, ob sie Windkraft will.
Aber auch hier hat seit Fukushima ein verstärktes Umdenken stattgefunden. Heute sprechen sich 9 von 10 Bürgerbefragungen in Gemeinden für die Windkraft aus. Früher war das nur die Hälfte.
Wir müssen die geeigneten Formen Erneuerbarer Energien regionsspezifisch auswählen. Nur eines lasse ich nicht gelten: Wir haben einmal Nein zur Atomkraft gesagt. Daher müssen wir Ja zu allen Formen von Erneuerbaren Energien sagen.
520 Kleinwasserkraftwerke in NÖ – Revitalisierung angelaufen
magzin.at: Auch die Wasserkaft ist Erneubare Energie. Sie spielt in NÖ eine sehr große Rolle mit einem großen Anteil an der Stromerzeugung.
Pernkopf: Ja. Wir haben in NÖ einen Anteil von 67 Prozent Strom aus Wasserkraft – Groß- und Kleinwasserkraft zusammengezählt. Ganz anders als etwa in Bayern, das fast denselben Anteil Atomstrom hat.
Zur Zeit gibt es 520 Kleinwasserkraftwerke in NÖ. Wir haben daher ein Förderprogramm aufgelegt, um diese ökologisch und energetisch zu optimieren – mit Fischaufstiegen und neuen, effizienteren Turbinen.
„Kein neues Donaukraftwerk“ – aber Modernisierung
magzin.at: Das Donaukraftwerk Ybbs-Persenbeug wird ab 2014 modernisiert, um seine Effizienz zu steigern, ohne dass das Kraftwerk ausgeweitet wird. Was geschieht an der Donau?
Pernkopf: Sie sprechen ein wichtiges Thema an: die Großwasserkraft. Allein das Donaukraftwerk Ybbs-Persenbeug versorgt derzeit 300.000 Haushalte mit Strom. Die Modernisierung mit neuen Turbinen und Komponenten wird zusätzlich sauberen Strom für 17.000 Haushalte bringen.
magzin.at: Was ist bei der Großwasserkraft an der Donau in den nächsten Jahren noch alles zu erwarten?
Pernkopf: Ich gehe davon aus, dass die Verbund AG als Eigentümer für alle Donaukraftwerke ein klares Modernisierungs- und Investitionsprogramm hat. Aber es wird natürlich kein neues Donaukraftwerk geben. Das ist klar.
600 größere Biomasse-Anlagen in NÖ – 200 Mio. Euro Ersparnis von Erdöl- und Erdgasimporten
magzin.at: Die Biomasse ist ein weiterer wichtiger Bereich der Erneuerbaren Energien in Niederösterreich. Er spielt in der Land- und Forstwirtschaft eine große Rolle.
Pernkopf: Ja. Auch bei der Biomasse ist NÖ Spitzenreiter. Wir haben inzwischen 600 größere Anlagen, die mit Biomasse beheizt werden. Hinzu kommen rund 50.000 Privathaushalte, die Pellets oder Hackschnitzel verwenden.
Dadurch sparen wie viel Geld in NÖ. Denn durch den Einsatz der Biomasse verbleiben jährlich 200 Mio. Euro Wertschöpfung in Niederösterreich, die sonst als Ausgaben für importiertes Erdöl und Erdgas ins Ausland abgeflossen wären – an Staaten wie Russland oder Libyen. Diese 200 Mio. Euro kommen stattdessen jetzt allein unserer heimischen Wirtschaft und Land- und Forstwirtschaft zugute.
Ausbau der Biomasse – Wo sind die Grenzen für NÖ?
magzin.at: Ist eine weitere Steigerung der Biomasse bei uns noch möglich, die zugleich nachhaltig ist – oder sind hier bald Grenzen erreicht?
Pernkopf: Wir legen größten Wert darauf, hier eine nachhaltige Versorgung sicherzustellen – in enger Zusammenarbeit mit der Landwirtschaftskammer. Es gibt derzeit noch Ausbaupotentiale. Aber irgendwann wird eine Grenze erreicht sein.
Die Experten müssen uns daher zum richtigen Zeitpunkt sagen, wann der Horizont bei unserer heimischen Biomasse erreicht sein wird. Denn wir wollen nicht, dass es irgendwann zu Versorgungsengpässen kommt und die Biomasse plötzlich „abgedreht“ wird – wie beim Erdgas aus Russland.
„Wir dürfen der Erdölindustrie nicht auf den Leim gehen“ – Biosprit muss eine Option bleiben
magzin.at: Die höhere Beimischung von Biotreibstoff – E10 – wurde in der EU und in Österreich verschoben. Wie sehen Sie das heiß diskutierte Problem Biosprit als Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion? Ist Biosprit für Sie weiterhin eine Option im Bereich Verkehr und Klimaschutz?
Pernkopf: Ich glaube, wir müssen uns bei dieser Frage zweier Dinge bewusst sein. Die Mobilität ist heute ein wichtiges persönliches Gut. Es ist daher sehr schwierig, Menschen zur Mobilitätseinschränkung aufzumuntern. Obwohl das in bestimmten Bereichen – wie mehr Radfahren – sehr gut funktioniert.
Insgesamt wird der Verkehr in Zukunft aber noch weiter zunehmen – durch den wachsenden Gütertransport aufgrund der Globalisierung der Weltwirtschaft.
Wenn wir das Klima schützen und möglichst wenig CO2-Ausstoß haben wollen, und zugleich sehen, dass wir den Verkehr nicht entsprechend eindämmen können, denn das hat sich in den letzten zehn Jahren mehr als erwiesen, – dann muss man schauen, wo gibt es alternative Treibstoffe.
Ich warne vor einem: Die Erdöl-Lobby hat großes Interesse daran, auch in den nächsten 20 bis 30 Jahren noch gute Geschäfte zu machen. Daher sollten wir der Öllobby und ihren Argumenten nicht auf den Leim gehen.
Biosprit in NÖ wird regional erzeugt – keine Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion
Pernkopf: Der Biosprit in Pischelsdorf (NÖ) zum Beispiel wird aus Futtergetreideüberschuss erzeugt. Hier wird kein Brotgetreide verarbeitet, sondern Futtergetreide, das nicht backfähig ist. Und die Futtergetreideüberschüsse sind regionale, aus Österreich, Tschechien, Ungarn und der Slowakei.
Wir müssen also zwei Bereiche streng unterscheiden: Die regionale Energieversorgung, die absolut sinnvoll ist. Da werden Agrartreibstoffe auch weiterhin ein wichtiges Thema bleiben.
Und andererseits die Entwicklungshilfe. Diese beiden Bereiche gehören streng begrenzt. Denn es macht absolut keinen Sinn, Palmöl aus Malaysien oder Bioethanol aus Brasilien zu importieren. Biosprit macht Sinn und tritt in keine Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion, wenn er regional hier bei uns produziert wird.
Wird NÖ seine Ziele beim Ausbau der Erneuerbaren Energien – 2015 und 2020 – erreichen?
magzin.at: Zurück zu den Zielen beim Ausbau der Erneubaren Energien in Niederösterreich: 2015 – 100 Prozent Strom aus Erneuerbaren Energien. Werden wir das in NÖ schaffen?
Pernkopf: Ja.
magzin.at: Für das Jahr 2020 liegt die Latte noch höher. NÖ soll dann 50 Prozent seines Gesamtenergiebedarfs (Strom, Verkehr, Wärme usw.) durch Erneuerbare Energien decken können. EU-weit liegt dieser Zielwert für 2020 bei 20 Prozent, für Österreich bei 30 Prozent, da wir bereits viel Wasserkraft haben.
Pernkopf: Unser NÖ-Ziel für das Jahr 2020 – 50 Prozent Deckung des Gesamtenergiebedarfs (Strom, Verkehr, Wärme usw.) durch Erneuerbare Energien – ist ein ambitioniertes Ziel. Wir liegen in NÖ derzeit bei 30 Prozent Anteil Erneuerbarer Energien am Gesamtenergiebedarf. Hier müssen wir noch sehr, sehr hart arbeiten.
In Hinsicht auf dieses Ziel ist und bleibt der Verkehr der schwierigste Problembereich. Das ist allerdings nicht auf Niederösterreich beschränkt, sondern weltweit so. Aber hier haben wir noch alle Hände voll zu tun.
Hier müssen auch neue Strategien gefunden werden. Eine Strategie kann jedenfalls nur sein, die fossilen Treibstoffe durch erneuerbare Energieträger zu ersetzen. Alles andere macht keinen Sinn und wird auch nicht zielführend sein.
magzin.at: Sehr geehrter Herr Landesrat, herzlichen Dank für das Interview zum Thema Niederösterreich und Erneuerbare Energien.
Der Artikel steht als pdf zum Download kostenfrei zur Verfügung: [wpdm_file id=20]
alle anderen Fotos: © magzin.at