Der Nachtwächter und Harlekin von St. Pölten
St. Pölten bietet eine Reihe von „Kulturspaziergängen“. Sehr beliebt ist die „Nachtwächterführung“ des bunten „Harlekin“ von St. Pölten, den Werner Sandhacker seit vielen Jahren einzigartig auf geniale Weise mimt, der bekannte Musiker und Universalkünstler der Traisenstadt. „Ich bin Volksschauspieler“ und mache Straßentheater, sagt Werner Sandhacker über seine fahrende Kunst, die in der commedia dell‘ arte und im mittelalterlichen Hofnarren ihre Wurzeln hat. magzin.at sprach mit ihm.
„Wef von Treisma“ nennt er sich, der beliebte „Harlekin“ von St. Pölten. Ganz ein Sohn seiner Stadt. Als „Nachtwächter“ führt er Gäste und Kulturinteressierte durch die Barockstadt an der Traisen. Wahres, Lustiges und Phantastisches weiß er da zu berichten und kunstvoll zu fabulieren – aus St. Pöltens langer, bewegter Stadtgeschichte, die bis auf die Römerzeit zurückreicht. Und er macht so seine Witze: „Die Straße aus Vindobona“, sagt er mit ganz großem Augenzwinkern, „hat so geglänzt, weil sie mit Bonawachs eingelassen wurde, wenn die Römer kamen.“
Musiker & „Universalkünstler“ St. Pöltens – Werner Sandhacker
Gern tanzt er aus der Reihe. Spaß liegt ihm, das Komödiantische und das Unkonventionelle. „Ich bin ein Volksschauspieler. Das ist meine Berufung“, sagt der, der dieser „Harlekin“ ist: Werner Sandhacker – St. Pöltens Universalkünstler und begnadeter Entertainer, den viele auch als Musiker auf St. Pöltens Konzertbühnen kennen. Der selbst „Mostviertler Weltmusik“ komponiert und spielt, von „Humdada bis Jazz“, wie er sagt. Auch auf Youtube ist er erreichbar. Sein erster Musikerauftritt im Jahr 1970 war ein Skandal. Inzwischen ist auch er gesetzter und geehrt. Im Jahr 2011 hat ihn die Stadt St. Pölten als „Universalkünstler“ ausgezeichnet.
Der „Harlekin“ der commedia dell‘ arte – das Straßentheater der „fahrenden Künstler“
„Der Harlekin ist eine Charakterfigur der commedia dell‘ arte, des Straßentheaters, das sich um 1600 in Venedig entwickelt hat“, benennt Werner Sandhacker die Wurzeln seiner Kunst und des „Harlekin“, den er seit vielen Jahren bunt und genial verkörpert – auf Stadtfesten und Märkten in St. Pölten, manchmal auch anderswo, wie zuletzt im „Böhmischen Prater“ in Wien. „Du musst Glück haben, ihn zu sehen. Er taucht immer überraschend auf, meist nur noch unangekündigt“, verrät Werner Sandhacker.
„Da bin ich auf Augenhöhe mit allen Menschen“
Das Straßentheater der commedia dell‘ arte ist das Metier, das ihn also zum „Harlekin“ inspirierte – das Spiel der „fahrenden Künstler“, wie sie einst durch Land und Städte zogen, noch vor 300 Jahren, um Theater auf der Straße zu spielen auf Dorf- und Stadtfesten. Immer mitten im Volk, bei Bauern und Bürgern, derb und lustig, traurig und wild, belehrend und provozierend. „Theater auf der Straße zu spielen, war für mich immer wichtig. Da bin ich auf einer Augenhöhe mit allen Menschen“, sagt Sandhacker. Zutiefst fasziniert hat ihn am „Harlekin“, dass dieser ein Helfer ist, einer, der bereitwillig allen anderen Menschen hilft – immer spontan und mit guten Ideen und Einfällen.
Das bunte Gewand des „Harlekin“ und „Nachtwächters“
Ein seltsames, schönes und buntes Gewand aus alter Zeit trägt Sandhacker, wenn er den „Harlekin“ spielt und als „Nachtwächter“ mit schwarzem und neuerdings weißem Umhang seine nächtliche Runde durch die Barockstadt St. Pölten zieht. Faszinierend, ihn dabei anzuschauen. Ja, er ist selbst dann ein Kunstwerk. Beim Gewand mischt er den „Harlekin“ mit dem mittelalterlichen „Narren“. Dabei gibt es feste Regeln und tiefere symbolische Bedeutungen.
Der Hut muss beim Harlekin quer getragen sein. Besonders hervor sticht die rote Gugel, eine Kapuze mit Eselsohren. „Die rote Farbe war nicht ungefährlich, denn früher durften nur Bischöfe rot tragen. Und die Eselsohren sind wichtig, weil ohne sie bekomme ich keine Geschichten von den Leuten zu hören. Und dann könnte ich ja keine Geschichten weitererzählen“, schmunzelt der „Harlekin“ Werner Sandhacker.
Eselsohren, Schellen und „Marotte“
An den Eselsohren der roten Gugel hängen hell klingende Schellen. Sie sind auch ein Symbol, nicht lügen zu dürfen. Außerdem zieren ihn spitze Schnabelschuhe und ein schwarzer Brustschild aus Holz und Leder, der nach vorne ausklappbar ist. Darin ist die „Rolle“ verborgen, ein aufgerolltes Schriftstück, das zur richtigen Zeit zu entrollen und zu verlesen ist.
Schließlich trägt er, sehr würdevoll, auch noch eine „Marotte“, das ist ein Stab, der ein geschnitztes Gesicht haben konnte und zugleich als „Waffe“ diente. „Bei mir ist es ein einfaches Holzstück. Die trage ich mit für den Fall“, meint Sandhacker humorvoll, „dass ich irgendwo einen Blödsinn sage und ein Herzog oder ein Graf dann auf mich einschlagen möchte.“ Denn das freie Schauspielerleben der fahrenden Künstler war immer auch in Gefahr, wenn sie gar zu viel der offenen Worte wagten.
Der „Harlekin“ als „Nachtwächter“ – ein Themenspaziergang durch St. Pöltens Altstadt
Werner Sandhacker, der „Harlekin“, ist selbst – wie sollte es anders sein – auch begeisterter Hobby-Historiker. Und wohl auch daher hat ihm das Tourismusbüro der Stadt St. Pölten vorgeschlagen, als „Nachtwächter“ eine Kultur- und Themenführung durch St. Pöltens Altstadt anzubieten – einen „Kulturspaziergang“. Darauf hat er eingewilligt. Und der wurde sehr beliebt, wird viel besucht. „Manche erwarten eine einfache Stadtführung. Aber in Wahrheit ist es ein Schauspiel“, so Werner Sandhacker über seine „Nachtwächterführung“. „Ich schreibe meine Rolle und gehe damit auf die Straße, um dort dann den Menschen zu begegnen. In Wahrheit ist das, was ich mache, ein Volksschauspiel.“
Pestsäule, Feuersbrünste, Bader und Spießrutenläufe – Rundgang durch die Geschichte
Der „Nachtwächter“ auf seinem abendlichen Streifzug mit Gästen durch St. Pöltens Altstadt erzählt historisch Fundiertes. Dazwischen singt er, trommelt er und – deklamiert er Gedichte. Immer wieder klappt er seinen schwarzen Brustschild mit der „Rolle“ darin auf. „Der Nachtwächter ist beliebt in jeder Stadt. Bei mir ist er einer, der gerne an der Geschichte kratzt, an der Mär und an den Märchen.“ Viel Spaß ist dabei. Aber auch sehr viel Wissenswertes.
Von der Pestsäule auf dem Rathausplatz geht der Nachtwächter-Rundgang los. Sodann geht’s um die Nachkriegszeit in St. Pölten oder auch um Kinogeschichte. Oder um den großen Barock-Architekten Jakob Prandtauer, der in der Traisenstadt lebte. Es geht um die Römer in St. Pölten, das zu deren Zeit „Aelium Cetium“ hieß, und um Feuersbrünste, die die Stadt im Lauf der Jahrhunderte sechsmal verwüsteten. Oder es geht um die „Bader“ des Mittelalters in St. Pölten, die „Spießrutenläufe“, den „Stadtspielmann“ und die Nachtwächter, die es bis 1870/80 in St. Pölten gab.
Der „Nachtwächter“ – unterhaltsam und beliebt
„Ich bin dabei auch immer spontan und improvisiere. Aber an und für sich geht es beim ‚Nachtwächter‘ um die Stadtgeschichte. Zwar nicht um genaue Jahreszahlen, aber fast alles hat ein sehr solides historisches Fundament.“ Aber die Darstellung ist kein trockener Vortrag, sondern geht – dem künstlerischen Konzept gemäß – ins vergnügliche Schauspiel. Denn sie soll gut unterhalten.
Sandhackers neueste Rolle: Barock-Baumeister Jakob Prandtauer in St. Pölten
Und das schafft sie auch. „Die Nachtwächter-Runde gibt es fix. Sie ist sehr beliebt“, sagt Werner Sandhacker, der Harlekin und Nachtwächter von St. Pölten. Seit einiger Zeit ist er übrigens auch als „Jakob Prandtauer“ zu sehen, als der große Barock-Baumeister (1660-1726), der den Barockbau des Stiftes Melk gestaltete, aber auch in St. Pölten lebte und hier starb, – bei einem der weiteren „Kultur-“ bzw. „Themenspaziergängen“, die in St. Pölten jetzt angeboten werden. Organisiert vom Tourismusbüro der Stadt St. Pölten unter Leitung von Eva Prischl.
magzin.at
weitere Infos zur „Nachtwächterführung“ in St. Pölten erhalten Sie
im Tourismusbüro St. Pölten, Rathausplatz 1, 3100 St. Pölten,
Tel: 02742 – 353 354, Email:
sowie auf magzin.at unter:
magzin.at: Kulturspaziergänge in St. Pölten 2014