Seit jeher ist Bürgerbeteiligung ein Grundanliegen des Bildungszentrums Gföhl (BZ Gföhl), die Förderung des aktiven Bürgers, der mitspricht und mitgestaltet. Sehr passend war daher der Vortrag „Erfindung der Demokratie“, den das BZ Gföhl in Krems vor wenigen Wochen veranstaltete. Gemeinsam mit der ARGE Region Kultur. Ein Rückblick lohnt.
Ein Streifzug zu den Aufklärern, die das Denken nicht fürchteten
Den Vortrag hielt der „Philosoph des Waldviertels“, Michael Korth, der bei großen deutschen Verlagen seine Bücher publiziert und lange Jahre enger Freund H.C. Artmanns war. Und Korth griff bei seinem Vortrag nicht kurz, sondern tief. Er vollzog einen Streifzug in die Geschichte der Demokratie. Zu den Aufklärern, die das Denken nicht fürchteten. Und denen wir alle verdanken, was Demokratie heute ist. Oder, was sie sein sollte.
„Demokratie fällt uns nicht in den Schoß“, erklärte Michael Korth den Zweck seines Vortrags. „Wir verdanken sie als geistige Leistung, an der hart gearbeitet wurde, oft auch unter Lebensgefahr, einigen großen Vorbildern.“
„Erfindung der Demokratie“ – ein Aufruf auch an den heutigen Bürger
Klug gewählt war auch der Vortragstitel „Erfindung der Demokratie“, sozusagen mit Doppelsinn. Denn Korths Vortrag war mithin ein Aufruf an die Bürger, sich der Demokratie – ihrer Grundsätze und Rechte – bewusster zu sein, um sie besser und selbstbewusster zu gestalten. „Zugleich müssen wir selbst stets darum kämpfen, dass die Demokratie und demokratisches Bewusstsein erhalten bleiben“, so Korth.
Die „Wiege der Demokratie“ – die alten Griechen
Die „Wiege der Demokratie“ war das Erste, worauf Korth zu sprechen kam: die „attische Demokratie“, der Athenische Stadtstaat, die „polis“ ab ca. 450 vor Christus. Da ging es los mit der Demokratie. Wichtige Grundformen wurden durchgesetzt und verankert. Perikles, Peisistratos und Kleisthenes waren ihre Erfinder.
„Athen ist die exemplarische Stadt, wo der Gedanke der Demokratie vielleicht nicht erfunden wurde, aber die erste Demokratie verwirklicht wurde“, so Korth. Das Bürgerwahlrecht (in Teilen), allgemeine Sozialrente, beamtete Richter, das „Volksbegehren“ und die Staatshilfen für Bauern in Notlagen waren einige der Elemente dieser attischen Demokratie. Weit vor unserer Zeit, dann vergessen und den Bürgern unendlich lange Jahrhunderte wieder verwehrt.
Römer-Republik und Königszähmung in England
Fast zeitgleich, so Korths Streifzug weiter, startete die römische Republik, indem sie das Königtum abschaffte, das Staatswesen zur Sache der Bürger machte („res publica“) – mit zwei Konsulen als Staatshäuptern und Wahlen jedes Jahr, um Missbrauch der politischen Ämter zu unterbinden und die Staatsgewalt auszubalancieren.
Der nächste Meilenstein der „Erfindung der Demokratie“ in den Augen Korths: die „Magna Charta“ Englands im Jahr 1215, im Hochmittelalter. Der König wurde verpflichtet, Rechte zu garantieren und einzuhalten. Das bedeutete im Prinzip, „dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, auch der König“, so Korth. Die „Magna Charta“ wurde zum Ursprung des mächtigen englischen Parlaments und der „Bill of Rights“.
John Milton: Königsmord und freie Wahl des Regenten
Sodann der große englische Dichter John Milton (1608-1674), Begleiter Oliver Cromwells. Nächstes großes Kapitel der Demokratiegeschichte. Milton bestritt dem Königtum die Rechte und rechtfertigte sogar den Königsmord um der politischen Freiheit willen. Sein Grundsatz: Freie Menschen sollen frei ihre Regenten wählen können.
John Locke: Vorbild für die Gründung der USA und die Französische Revolution
Und zuletzt, auf Korths Reise in die Geschichte, John Locke (1632- 1704), der „Vollender der demokratischen Idee, indem er die Gewaltenteilung verkündete“. So Korth. „Damit wurde John Locke auch zum Vater der ersten großen Demokratie der Welt, der Vereinigten Staaten von Amerika.“
Warum und wie? Der Engländer John Locke inspirierte um 1750 viele Amerikaner. Und diese dann viele Franzosen. „Die amerikanische Unabhängigkeitserklärung vom 4. Juli 1776 übernahm fast wörtlich“, dazu Korth, „John Lockes Formulierungen. Und diese fand wiederum Eingang in die ‚Erklärung der Menschenrechte‘ durch die Große Französische Revolution“ – am 26. August 1789.
Alle Parlamente sollten an sie erinnern
Wichtige Stationen der Demokratiegeschichte hat Michael Korth in seinem Vortrag „zurückgeholt“ und erneut bewusst gemacht. Es lohnte sehr, sich darauf einzulassen – auf seinen Vortrag „Erfindung der Demokratie“ und den aufklärerischen Impuls, der darin enthalten ist.
Zugleich ein mutiges Experiment des BZ Gföhl, die Diskussion auf die Kernfragen von Demokratie und Gemeinwesen zu lenken und damit echte Orientierung und bürgerliches Selbstbewusstsein zu ermöglichen. Eine Art substantielles „empowerment“ des Bürgers, nicht bloß funktionales und marginales.
„Seit 2500 Jahren haben Menschen für Demokratie und Freiheit gekämpft und für die Rechte und Gleichheit der Bürger. Es war mir wichtig“, sagte Michael Korth, der „Philosoph des Waldviertels“, zum Abschluss, „die Handvoll Menschen, die diese Ideen erfunden und zum Teil unter Lebensgefahr durchgesetzt haben, in Erinnerung zu rufen. Eigentlich müssten in jedem Parlament diese Erfinder der Demokratie in Statuen verewigt werden.“
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