Zwei spiegelverkehrte Arten, die Zeit zu verpassen
Zu spät war ich dran: Weg war die Chance. Weil ich zu lange nur zugesehen habe, was passieren wird. Nur beobachtet habe, wie andere aktiv geworden sind. Weil ich noch ein wenig abwarten wollte. Weil mir in dem Moment einfach nicht klar war, dass ich sofort hätte handeln müssen. Ich habe es verschlafen, verbremst, verbockt. Die Chance ist unwiderruflich vertan. Ewig könnte ich mich dafür in den Hintern beißen.
Zu früh war ich dran: Als ich bemerkt habe, dass es passiert ist, hat mich Panik erfüllt, kalter Angstschweiß ist mir ausgebrochen. Ich habe einen Riesenfehler gemacht. Durch Übereilung, Überreaktion, Übereifer. Aus Angst etwas zu versäumen und zu spät zu kommen. Ohne Maß und Ziel habe ich gehandelt, um „die anderen“ zu überholen, zu gewinnen, der Erste zu sein. Dabei habe ich mich verschätzt, verkalkuliert, geirrt. Ich habe den Überblick verloren, gehudelt,. Wenn ich nur ein wenig gewartet hätte, könnte ich jetzt tausend Mal besser dastehen. Ewig könnte ich mich dafür in den Hintern beißen.
Wenn jemand, wie gerade beschrieben, eine so unglaubliche Verrenkung plus schmerzhaften Biss ins eigene Fleisch vorzuhaben vorgibt, dann hat das wohl mit der Enttäuschung zu tun, eine falsche Entscheidung getroffen zu haben. Genauer gesagt, für eine Entscheidung, den falschen Zeitpunkt gewählt zu haben. „Die Zeit war noch nicht reif“, sagen verbittert die zu früh Gekommenen. „Da ist mir jemand zuvorgekommen“, die Zögerlichen. Sie beschönigen damit beide ihre Fehlleistung.
Nicht die Zeit, nur Menschen können reifen
Denn die Zeit kann nie reifen, nur wir Menschen können das. Wir müssen reifen, damit wir im richtigen Moment die richtigen Dinge tun. Zum Beispiel aufstehen, einen bis dato unbekannten Menschen zum Tanzen auffordern und dadurch einen Partner fürs Leben finden. Zum Beispiel bisher eher unbeachtete Aktien kaufen, die am nächsten Tag in den Börsehimmel aufsteigen. Zum Beispiel ein Produkt auf den Markt bringen, das einem zwar noch unausgereift vorkommt, aber sich in der Zusammenarbeit mit den Kunden zu einem Erfolg mit überragendem Wettbewerbsvorsprung mausert.
Wissen, wann der richtige Zeitpunkt ist – wie geht das?
Es ist ein magischer Moment, der Zeitpunkt zu handeln. Besonders in der Wirtschaft versucht man, ihn zu „erwischen“. Aber die meisten verpassen ihn und blicken voller Neid auf Menschen, denen es offenbar leicht fällt, Chancen „beim Schopf“ zu packen, auf Trends rechtzeitig aufzuspringen und ihre Vorstellungen treffsicher zu realisieren. Sie können über die „reifen Entscheidungen“ von Managern und Unternehmern nur staunen und wollen gerne wissen: Wie geht das, dieses Reifen, dieses in der Lage sein, genau zu wissen, wann der richtige Zeitpunkt ist? Ich sehe da vier Fähigkeiten, die den Ausschlag geben. All die Helden des „richtigen Zeitpunkts“, des „Time to Market“ sind:
- ausgezeichnete Analysten, die ihre Märkte via Statistik, Internet und persönliche Kontakten rational wie emotional erfassen;
- „verrückte“ Kreative, welche sich Veränderungen in der Zukunft so intensiv vorstellen können, dass sie die dafür passenden Leistungen rechtzeitig fertig haben;
- clevere Lobbyisten, welche vorausblickend diejenigen Schlüsselpersonen zu ihren mitprofitierenden Partnern machen, die im entscheidenden Moment ihren Durchbruch unterstützen;
- in ihrer Mitte ruhende Menschen, die nicht nur geduldig den richtigen Augenblick erwarten, sondern auch mit unerschütterlichem Selbstvertrauen und körperlich spürbarer Energie die von Ihnen imaginierten Resultate erzeugen und auch blitzschnell zuschlagen können.
Die meditative Qualität ist die wichtigste
Die zuletzt genannte, meditative Qualität scheint mir die wichtigste dabei zu sein. Sie macht die eigentliche Magie von punktgenauen Entscheidungen aus. Sie verbindet erst den langen Atem mit dem Hier und Jetzt. Sie fungiert quasi außerhalb der Zeit, erleichtert in ihrem „über den Dingen stehen“ das Erkennen von Chancen. Sie lässt sich nie unter Druck setzen und … – sie lächelt. Sie lacht aber nicht über Menschen, die sich in den eigenen Hintern beißen wollen. Weil sie weiß, dass diese nur ein wenig Zeitlosigkeit brauchen, um zu reifen. So wie diese Gesellschaft eine Lobby der Mitte braucht, um einen Schritt weiter zu kommen.
weitere Infos zu Wolfgang Lusak,
Wirtschafts- und Lobbycoach in NÖ und Wien, unter:
www.lusak.at
Foto Lusak: zVg Wolfgang Lusak