Die Mitte ist ein weites Land: Gespaltene Persönlichkeiten erzeugen gespaltene Gesellschaften. Ein Gastkommentar von Wolfgang Lusak

Auf den Kampfplätzen der Politik und Öffentlichkeit wachsen Polarisierung und Spaltung – bei uns und überall auf der Welt. Auch wir selbst fühlen uns im Alltag immer mehr zerrissen von Ansprüchen und Zwiespälten. „Die Mitte ist ein weites Land“, schreibt Wolfgang Lusak in seinem neuen Gastkommentar. Gespaltene Gesellschaften kommen von gespaltenen Persönlichkeiten. Um die Welt verändern zu können, müssen wir uns vielmehr zuerst selbst verändern.

Die ruhende Mitte des Menschen als Angelpunkt der Welt - statt Polarisierung und Aggression.

Ein Gastkommentar von Wolfgang Lusak |

Liegt es am zur Besinnung mahnenden Jahreswechsel, dass wir jetzt noch intensiver spüren, wie sehr wir alle hin- und hergerissen werden zwischen widersprüchlichen Positionen und extremen Verhaltens­weisen?

Gespaltene Gesellschaften kommen von gespaltenen Persönlichkeiten

In der Politik-Berichterstattung hören wir immer öfter von „tief ge­spal­teten“ Nationen. Aktuell ist unter anderem aus den USA, aus Ägypten, aus Belgien von „tiefen Gräben“ zwischen verändernden und konservativen Kräften die Rede.

Auch bei uns in Österreich zeigt die große Koalition auf, wie wenig „alte Partner“ mehr aufeinander zugehen können. Das Bild von links­linken Gutmenschen und Chaoten muss ebenso herhalten wie das von den nimmersatten Kapitalisten und Ausbeutern.

Umweltschützer verweisen auf unumkehrbare Zerstörung, sprechen vom notwendigen Wechsel zu qualitativem Wachstum. Viele, zu viele Politiker und Manager reden von der Alternativlosigkeit von Ein­spa­rungen und quantitativem Wachstum, sie unterwerfen sich der Herrschaft der Finanzmärkte, als wäre diese Gott gegeben.

Und die einzelnen Menschen? Sie pendeln auch zwischen Euphorie und Sorgen, zwischen Wut/Mutbürgertum und Feigheit. Einerseits „hackeln“ sie bis zum Umfallen, „buckeln“ vor den (scheinbar) Mächtigen und nutzen eigene Machtpositionen rücksichtslos aus, andererseits flüchten sie, wo es nur geht in die warmen Nester des Sozialstaates, die Illusionen von Blockbustern und Internet, die Verführungen von Spielen und Drogen.

Die Spaltung ist in uns

Wir gehen in „unserem“ Europa durch städtische Einkaufszonen und erkennen mit Unbehagen, dass alle Beleuchtung und alles Glitzerwerk kaum mehr vertraute (christliche) Symbole enthalten. Wir fühlen uns um ersehnte sentimentale Kindheitserinnerungen betrogen. Gleich­zeitig fällt uns ein, wie viele der hohen Amtskirchen-Vertreter wir wegen ihrer Weltfremdheit, Sturheit und bigotten Verlogenheit nicht ausstehen können.

Wolfgang Lusak
Wolfgang Lusak, erfahrener Coach und Management-Berater in Wien und NÖ

Wir sehen an allen Ecken Bettler uns gezogene Hüte offen entgegenstrecken und Zeitungen anbieten. Unangenehm berührt schauen wir an Ihnen vorbei und denken an organisierte Banden, an Asylwerber, die mit unserem Steuergeld versorgt werden. Dann fällt uns ein, dass wir als Kind beim Herbergsuche-Spiel sehr darüber entsetzt waren, wie die arme heilige Familie von allen reichen Hausbesitzern so hart abgewiesen wurde.

Dann kommen wir gereizt nach Hause und beginnen an Kleinigkeiten herumzunörgeln, bald liegt Streit in der Luft. Angeblich sind ja die Feiertage zu Jahresende, mehr noch als gewöhnliche Wochenenden und Urlaube eine gefährliche Zeit bezüglich Ehekrisen, Familienkrachs und Depressionen. Angeblich flüchten da besonders viele in exzessives Feiern und Alkohol. Was plötzlich in Aggression umschlagen kann.

Die Mitte ist ein weites Land

Die Mitte ist ein weites Land, wenn wir ständig wie Lotteriekugeln in Glastrichtern herumwirbeln, zwischen Polaritäten pendeln. „So vieles hat zugleich Raum in uns“ formulierte einst Schnitzler und, gar nicht beruhigend, „Das Natürliche ist das Chaos“.

Dieser seufzenden Hoffnungslosigkeit sollten wir uns nicht hingeben, nicht die innere Spaltung als Dauerzustand akzeptieren. Jeder sollte sich daran erinnern, dass alles Streiten nur aus der Unzufriedenheit mit sich selbst entsteht. Dass niemand vor seinen Ängsten davon laufen kann. Dass die Projektion von schlechter Energie nach außen niemals Lösungen bringt. Dass wir erst richtig lieben können, wenn wir uns selbst mögen. Dass wir gerade in Zeitenwenden friedliche, meditative Stille suchen müssen, um aus unserer Mitte einen Punkt zu machen, den Angelpunkt für die Welt.

Also stimmt der einfache Satz …

Also stimmt der einfache und fast unglaubliche Satz, dass wir „nur“ in uns was ändern müssen, um die Welt verändern zu können? Ja, er stimmt.

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mehr von und über Wolfgang Lusak, Management-Berater und Lobby-Coach, finden Sie unter:
www.lusak.at

Foto „Melancholie“: © line-of-sight – Fotolia.com
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