Anfang 2009 startete das Projekt „Wachau 2010 Plus“ mit dem Ziel, die Wachau als kulturtouristische Destination zu positionieren. „Das Projekt ist von Landeshauptmann Erwin Pröll ins Leben gerufen worden“, sagt Martin Vogg im Gespräch mit magzin.at. Vogg war seit Anfang 2009 der Projektleiter von „Wachau 2010 Plus“. Seit heurigem Jahr ist Martin Vogg nun bei „Wachau Kultur Melk“, die im Jänner neu gegründet wurde. Neben Alexander Hauer ist Vogg einer ihrer beiden Geschäftsführer.
Ein umfassendes Konzept: Tourismus, Kultur, Mobilität, Energie, Wirtschaft und Landwirtschaft
Die Grundlage des Projekts „Wachau 2010 Plus“ ist ein intelligentes, komplexes Konzept, das bereits in vielen Kernpunkten umgesetzt ist. „Bei Wachau 2010 Plus wurden erstmals alle Bereiche mitbedacht“, erklärt Martin Vogg. „Das heißt, nicht nur Tourismus und Kultur, sondern auch Mobilität und Energie. Außerdem die Einbindung aller wichtigen regionalen Faktoren, zum Beispiel auch der Landwirtschaft.“
Träger des Projekts sind alle 13 Wachau-Gemeinden, das heißt der „Arbeitskreis Wachau“, dem auch die Städte Krems und Melk und die Stifte Melk, Göttweig und Herzogenburg angehören. Der Bürgermeister von Spitz, Andreas Nunzer, führt derzeit den Vorsitz des „Arbeitskreis Wachau“. Vorgänger Nunzers war die jetzige Landesrätin Barbara Schwarz, als sie Bürgermeisterin von Dürnstein war.
Zwei große Aufgaben für die Wachau:
Tourismus-Saison und Aufenthaltsdauer der Gäste verlängern
Zwei große Aufgaben, so Vogg, soll „Wachau 2010 Plus“ erfüllen: Die Tourismus-Saison in der Wachau verlängern. Und die Aufenthaltsdauer der Gäste. „Wir haben in der Gesamtregion sechs Top-Ausflugsziele Niederösterreichs. Aber unser Ziel ist, dass die Gäste sich mehr Zeit nehmen und die Region weniger nur punktuell besuchen“, so Vogg.
Der erste Schritt: Die Vernetzung der bestehenden Hotspots und touristischen Leuchttürme. „Der erste Zugang war, die Themen der Wachau besser aufzubereiten, Themenrouten zu schaffen und touristische Highlights und Themen miteinander zu verbinden.“
Zweiter Schritt: Den Blick weiten – die Region neu denken
Aber auch die Gesamtregion wurde neu in den Blick genommen. Was gehört zur Wachau? Was wird mit ihr in Verbindung gebracht? „Ich habe zuerst geschaut, was ist schon alles da in der Region. In Krems und Melk gibt es seit langem großartige Kulturfestivals. Nur wurden die bisher vielleicht kaum mit der Wachau assoziiert“, erläutert Vogg.
Gemeint sind da die großen Kremser Festivals rund um den Klangraum Minoritenkirche (Imago Dei, glatt&verkehrt, Kontraste), das Donaufestival Krems und die Kunstmeile Krems. Sowie die Barocktage Stift Melk und die Sommerspiele Melk. Aber auch das Literaturhaus NÖ (ULNÖ) in Krems mit vielen Lesungen und dem internationalen Festival „Literatur und Wein“.
Moderne Kultur als neue Attraktion der Wachau
Das Naheliegende und doch ganz Neue war: Diese großen Kulturveranstalter in die Wachau zu holen. „Das ist uns mit Erfolg geglückt“, so Vogg. Denn regelmäßig gastieren inzwischen die großen Festivals von Krems und Melk in der Wachau – mit hochkarätigen modernen Kulturevents auf Schiffen, Fähren, Bahn, beim Heurigen usw. Es gibt Kunstprojekte und zahlreiche literarische Lesungen und literarische Wanderungen in Kooperation.
Es sind großartige Veranstaltungen, die die Attraktivität moderner Kultur in die Traditionslandschaft einbetten. Mit dem positiven Effekt, dass weitere neue Gäste kommen – in die Wachau. „Und auch das Verständnis bei den Wachauer Betrieben, dass Kultur ein wichtiger Faktor für die Wirtschaft ist, ist immer stärker da“, so Vogg.
Entschleunige den Gast und er verweilt
Entschleunigung war Voggs nächster großer Ansatzpunkt, um Gäste zu animieren, länger in der Region zu verweilen. Zweierlei erschien ihm dafür besonders wichtig: Öffentlicher Verkehr und Wandern. „Ein Schwerpunkt für mich war: Wie kann ich den Gast entschleunigen? Das heißt, dazu verleiten, sein Auto zu verlassen oder ohne Auto zu kommen?“, erinnert sich Vogg.
Wer meint, das wäre nur ein ökologisches Argument, der irrt gewaltig. „Jeder Gast, der das Auto verlässt, oder ohne Auto kommt, bleibt länger in der Region“, erklärt Vogg den springenden Punkt dabei.
Öffentliche Verkehrsmittel als Hilfe zur Entschleunigung
Der Idee gemäß wurde ein neues Verkehrskonzept realisiert, mit starker Unterstützung durchs Land NÖ. Ein volldeckendes Liniennetz mit Bussen wurde ganz neu und erstmals geschaffen und verbindet nun Krems, Wachau und Melk an beiden Donauufern. Auch direkt zu den Bahnanschlüssen. An sieben Tagen die Woche, am Wochenende auch abends. „Es gab 350.000 Busgäste im vorigen Jahr. Das ist fürs erste Jahr ganz erstaunlich viel“, so Vogg.
Aber auch die Wachaubahn, seit 2011 wieder von Krems über Spitz hinaus bis Emmersdorf bei Melk geführt, wurde erhalten und mit touristischer Aufgabe integriert. Das Land NÖ hatte sie 2010 von den ÖBB übernommen.
Das Leihradsystem nextbike – ein weiterer großer Erfolg
Ein nächster Schritt Voggs: Das Fahrradleihsystem nextbike wurde in der Wachau etabliert. „Nextbike ist bei uns ein voller Erfolg. Wir mussten heuer ausbauen, weil die Leihräder komplett ausgelastet sind“, so Vogg.
Es gibt bereits 36 Leihradstationen in der Wachau, verteilt beiderseits der Donau. Mit dem großen Vorteil für Gäste, dass sich das Leihrad unkompliziert mit Bus, Bahn, Schiff und Fähre verbinden lässt. Etabliert wurde in der Wachau aber auch die Elektromobilität. Die Wachau ist eine der E-Mobil-Modellregionen Niederösterreichs.
Das Wandern ist des Winzers Lust
Entschleunigen und den Gast in die Fläche hineinführen, das geschieht auch beim Wandern. „Als ich meine Arbeit hier begann“, so Vogg, „sah ich sofort, die Wachau ist attraktiv fürs Wandern. In welcher anderen Region lassen sich derart viele historische Ensembles fußläufig verbinden?“
Auch wenn viele Wachauer anfangs skeptisch waren, die Idee „Wandern in der Wachau“ hat sich voll bewährt. „Der starke Zuwachs an Gästen in der Region, das sagen uns die Betriebe, kommt sehr stark auch durchs Wandern“, so Vogg, „und weil die Gäste nun wahrnehmen, wie viel es in der Region zu sehen gibt.“
Jahr 2011: Neuer Rekord bei Nächtigungszahlen der Wachau
Tatsächlich hat das Projekt „Wachau 2010 Plus“ bereits gute Früchte getragen. Im Jahr 2011 wurde ein neuer Gästerekord in der Wachau erzielt. Um bis zu 15 Prozent konnten einige Wachau-Gemeinden bei den Nächtigungen zulegen. Insgesamt betrug der Zuwachs in der Wachau rund 10 Prozent, so Vogg.
„Man kann in Hinblick auf diese sehr guten Zuwächse durchaus von einer Bestätigung unseres Weges sprechen“, sagt Vogg. Ein wichtiger Erfolgsmesser ist für ihn aber auch die vorhandene Zustimmung der Betriebe vor Ort. „Die Wachauer Betriebe haben sich sehr schnell auf unsere neuen Ideen eingelassen, weil sie merkten, das bringt viele neue Gäste.“
Statt Megaevents – das Neue entdecken
Zu seiner Anfangszeit als Projektleiter, so Vogg, gab es Befürworter neuer großer Mega-Events für die Wachau. Voggs Weg war bewusst ein anderer. „Wir haben die Sonnwendfeiern, die Marillenblüte, den Weinfrühling usw. Das ist gut, aber eben nur kurzfristig“, so Vogg. Auch die Infrastruktur stößt dabei an Grenzen.
Neues entdecken, die vielen Kleinode in der Fläche der Wachau, die zwischen den touristischen Hauptattraktionen liegen – „dieses ‘Neues entdecken’ ist es, was uns übers Jahr genauso viele Gäste bringt wie ein oder mehrere Mega-Events“, erklärt Vogg. „Und je mehr sich die Gäste streuen, auch das Dazwischen entdecken, desto größer wird die Wertschöpfung in der Region.“ Entscheidend, so Vogg, für die Erhaltung einer lebendigen Kulturlandschaft, dass Menschen mit ihrer Arbeit in der Region leben können.
Kirchen am Fluss – Virtuelle Besichtigung im Internet
Neues entdecken, das bringt auch das Projekt „Kirchen am Fluss“, das Vogg initiierte. 41 Sakralbauten in der Wachau entlang der Donau sind jetzt auf einer Internetseite zu finden. Gut beschrieben, gut bebildert. Bekannte und wenig bekannte Kirchen und Kapellen.
Das ganz Besondere daran: Die Kirchen und Kapellen lassen sich im Internet virtuell besichtigen – mit einer virtuellen Kamerafahrt im Inneren, die der Internetnutzer selbst bewegen kann. „Es wird inzwischen tatsächlich immer öfter nachgefragt, ob die Kirchen auch besucht werden können.“
Lichtkunstprojekte – mehr Qualität und neues Licht
Aber auch das ist längst noch nicht alles. Denn „Wachau 2010 Plus“ ist geradezu ein Feuerwerk der Ideen und Projekte. Auch Licht wird mit Kunst verbunden. Bei der Beleuchtung von Orten und Gebäuden der Wachau.
„Es geht um weniger Energieverbrauch und um mehr Qualität des Lichts“, sagt Martin Vogg. „Daher haben wir die Vorarlberger Lichtkünstlerin Siegrun Appelt engagiert, die für die Wachau ein eigenes Lichtkonzept entwickelt: ‘slow light’.“
12 bis 16 Lichtprojekte könnten es werden. Eins ist schon realisiert: Die neue Beleuchtung der Donaulände in Spitz. Eingesetzt werden energiesparende LED-Lampen. „Wie gehe ich mit Licht um? Wie kann ich Licht sparsamer und stimmungsvoller einsetzen? Wie vermeide ich Lichtverschmutzung? Der künstlerische Zugang ist daher für uns sehr wichtig.“ Einige Orte bleiben bewusst aber auch ohne Licht, damit auch Nacht und Mondlicht ein Erlebnis bleiben können.
Schifffahrts- und Welterbezentrum Krems – das „Tor zur Wachau“
Ein Meilenstein von „Wachau 2010 Plus“ ist freilich auch das neue Schifffahrts- und Welterbezentrum in Krems, das „Tor zur Wachau“, das im Herbst 2011 eröffnet wurde.
„Es gibt dort eine wunderbare Open-Air-Ausstellung, die alle Wachaugemeinden thematisch darstellt“, so Vogg. „Die Verbindung von Schifffahrt, touristischer Information und qualitätsvoller Gastronomie hat dieses neue Zentrum zu einer echten Erfolgsgeschichte werden lassen.“
Auf neuen Wegen – die neue „Wachau Kultur Melk“
Seit Anfang 2012 ist Martin Vogg nun in neuem Amt. Als einer von zwei Geschäftsführern der „Wachau Kultur Melk“, die Ende Jänner gegründet wurde. Sein Kollege ist Alexander Hauer, der über Jahre zuvor mit „Kultur Melk“ die großen Kulturevents in Melk erfolgreich aufgezogen hat: die Internationalen Barocktage Melk, die Sommerspiele und die Tischlerei Melk Kulturwerkstatt.
Voggs Aufgaben jetzt: Die Kulturprojekte von „Wachau 2010 Plus“ fortzuführen. Aber zweitens auch, gemeinsam mit Hauer, die Wachau nun ebenfalls in der Nebensaison (Oktober bis März) mit neuem Kulturprogramm zu bespielen.
„Wachau in Echtzeit“ mit Ursula Strauss – Kulturprogramm für die Nebensaison
„Wachau in Echtzeit“ ist der Name dieses neuen Kulturprogramms für die Wachauer Nebensaison. Schon im Herbst 2012 wird es anlaufen, kuratiert von Schauspielerin Ursula Strauss. Der Kabarettist Thomas Maurer und der Musiker Otto Lechner sind bereits fix. Im Gespräch für weitere Events waren u.a. auch Katharina Stemberger, Karl Markovich und Lukas Resetarits.
Darüber hinaus hat „Wachau Kultur Melk“ heuer das „Symposium Dürnstein“ gestartet, das nun jährlich kulturelle und ethische Fragen diskutiert. Organisieren wird „Wachau Kultur Melk“ ab sofort auch die „Europäischen Literaturtage“, die in Spitz a.d. Donau jährlich im September stattfinden, wobei Walter Grond die künstlerische Leitung beibehält.
Grafenegg und Schallaburg werden einbezogen
Und der nächste große Schritt ist bereits in Vorbereitung. „Wachau Kultur Melk“, unter Leitung von Vogg und Hauer, soll nun auch Schloss Grafenegg und die Schallaburg ins Gesamtkonzept Wachau einbeziehen. In enger Zusammenarbeit mit der NÖ Kulturwirtschaft (NÖKU).
Geplant ist die Einbindung von Schloss Grafenegg und Schallaburg ins Verkehrskonzept. Und die gemeinsame Bewerbung. Bereits ab nächstem Jahr sollen alle großen, hochkarätigen Kulturfestivals und Kulturhäuser der Gesamtregion – Krems, Grafenegg, Wachau, Melk und Schallaburg – in einem gemeinsamen Werbemittel dargestellt werden. Es sind 27 an der Zahl – imposant viele.
„Die Wachau ist längst ein kultureller Hotspot Europas – und das gilt es nun auch ganz klar nach außen zu kommunizieren“, sagte das Duo, Alexander Hauer und Martin Vogg, im Jänner, als Landeshauptmann Erwin Pröll das neue Konzept in Weißenkirchen/Wachau präsentierte.
weitere Infos unter: www.wachau-kultur.at | www.kultur-melk.at | www.arbeitskreis-wachau.at | www.kirchen-am-fluss.at
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