„Ein gravierendes Machtmissverhältnis in unserer Demokratie“ – Politik vernachlässigt die Interessen der KMU

Großkonzerne und Finanzwirtschaft nehmen durch Lobbying starken Einfluss auf die Politik, sagt eine neue Gallup-Studie. Hingegen finden kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in der Politik kaum Gehör, obwohl sie für die Wirtschaft von größter Bedeutung sind. Ein Gast­kommentar von Wolfgang Lusak.

Time for Change

Laut einer neuen, von Gallup durchgeführten Lobbying-Studie* zeigen die Führungskräfte in der österreichischen Wirtschaft ein fundamentales Macht-Missverhältnis in unserer Demokratie ganz klar auf: Sie sehen zu 94 Prozent die Konzerne, zu 74 Prozent die inter­natio­nale Finanz­wirtschaft als Nutznießer von Lobbying-Aktivitäten, aber nur zu 26 Prozent den Mittelstand.

Zu wenig Interessen-Lobbying durch KMU

Auf der anderen Seite trauen 54 Prozent dem Mittelstand – niemand anderem sonst so sehr – zu, Österreich aus der Krise führen zu können, und nur 20 Prozent der Regierung und Finanzwirtschaft.

Logischerweise wünschen sie dem Mittelstand zu 61 Prozent, den Klein- und Mittelbetrieben (KMU ) sogar zu 65 Prozent, dass er mehr Lobbying betreiben möge. Sie sind zu 68 Prozent der Meinung, dass KMU Lobbying für ihre Durchsetzung als Interessengruppe brauchen. Gleichzeitig haben sie fast allen etablierten KMU-Inter­essen­ver­tre­tungen geringere KMU-Lobbying-Kompetenz als im Vorjahr zuge­spro­chen.

Konzern- und Finanzlobbies bestimmen die Politik

Wolfgang Lusak
Wolfgang Lusak, Lobby-Coach und Management-Berater in Wien und NÖ

Wenn die verantwortlichen Politiker auf unsere Führungskräfte hören würden, wenn sie ihre Aufgaben so gut wie unsere klein- und mittelständischen Betriebe/Freiberufler mit ihren über 70 Prozent der öster­rei­chischen Arbeit­nehmer er­fül­len würden, dann hätten wir jetzt noch unser Triple-A und würden auch sonst viel besser durch die Krise kommen.

Aber dazu gehört der Verzicht auf medien­wirk­same An­kün­di­gungen, auf kurz­fristiges Kalkül und auf die Zustimmung von Konzern/Finanz-Lobbies und Klientel. Das führte sie nicht automatisch ins politische Abseits, sondern verhindert, dass die Wähler massenhaft in extreme Lager abdriften.

„Alle Räder stehen still, wenn der Mittelstand es will“

Der Mittelstand verliert nämlich doch einmal seine Engelsgeduld. Wenn er bis zu 50 Prozent seines wirklich hart erarbeiteten Einkommens an die Obrigkeit abliefern muss und dabei praktisch kaum Mitspracherecht über die Verwendung des abgelieferten Kapitals hat. Wenn er noch dazu beobachten muss, wie einige wenige mit seinem Geld „gerettet“ werden oder sich damit davon machen. Dann hat er das Gefühl, in einer subtilen Opferrolle gefangen zu sein.

Dann wundert es nicht, wenn immer wieder von einer Mittel­stands­partei geredet wird oder hinter vorgehaltener Hand darüber diskutiert wird, was wohl passiert, wenn einmal alle KMU für zwei bis drei Monate „vergessen“, ihre Umsatzsteuer abzuliefern: Alle Räder stehen still, wenn der Mittelstand es will?

Mit den KMU aus der Krise

Die Botschaft der Führungskräfte – aus der Lobbying-Studie – an die Parteipolitiker kann deutlicher nicht sein: Macht Euch endlich frei von eurer Abhängigkeit von den Groß-Lobbies, gebt dem Mittelstand mehr Lobby-Freiheit, Gewicht und Unterstützung und es wird uns allen nicht bloß besser gehen. Es wird auch der einzige seriöse, nachhaltige Weg aus der Krise sein.

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ein Gastkommentar von Mag. Wolfgang Lusak, Lobby-Coach und Managementberater

weitere Infos zu Wolfgang Lusak unter:
www.lusak.at

*) im Auftrag vom Wirtschaftsforum der Führungskräfte (WdF), Österreichischem Gewerbeverein (ÖGV) und Lusak Consulting

Foto oben: © beermedia – Fotolia.com
Foto rechts: zVg W. Lusak
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