„Märkte, Macht und Menschen“ lautete der Titel einer gemeinsamen öffentlichen Antrittsvorlesung von Univ.-Prof. Gottfried Haber und Univ.-Prof. Barbara Brenner an der Donau-Universität Krems, die Thomas Cik, Ressortleiter der „Kleinen Zeitung“ (Klagenfurt), moderierte.
Die zwei neuen Professoren
Seit Anfang 2013 ist Barbara Brenner neue Professorin der Donau-Universität Krems am Department für Wirtschafts- und Mangementwissenschaften. Seit 2012 ist Gottfried Haber Professor an der Donau-Universität Krems mit zwei Portfolios: „Wirtschafts-, Finanz- und Budgetpolitik“ sowie „Management im Gesundheitswesen“. Er lehrt am Department für Gesundheitswissenschaften und Biomedizin
Barbara Brenner erörterte in ihrer Antrittsrede die Struktur der Globalisierung, sodann die Erfolgsstrategien internationaler Unternehmen auf globalen Märkten. Gottfried Haber analysierte die Gründe der Finanz- und Wirtschaftskrise; sowie dann die Einwirkung der Globalisierung auf das Gesundheitssystem.
Univ.-Prof. Gottfried Haber: Die Krise ist vor allem eine große Vertrauenskrise in die Zukunft
Es sei ein Fehler, zu glauben, die Welt werde nach der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09 wieder so sein wie zuvor, betonte Gottfried Haber im Eingang seiner Vorlesung. „Denn wir haben einen Strukturbruch im Vertrauen.“ Entsprechend formulierte er seine Kernthese: Die derzeitige Krise in der Eurozone und der Weltwirtschaft sei im Grunde vor allem eine Krise des Vertrauens und des Glaubens in die Nachhaltigkeit und Zukunft der Systeme – sowohl des Staats, der Vorsorge als auch der Wirtschaft.
„Wir glauben, es ist eine Krise der Schuldenstände von Ländern. Im Kern ist es aber eigentlich eine Vertrauenskrise, die sich als Liquiditätskrise äußert“, erklärte Haber in diesem Sinne. Sowie zweitens: „Die Finanz-, Wirtschafts- und Schuldenkrise, die fälschlich als Eurokrise bezeichnet wird, ist keine Krise von Geld und Währungen. Es ist eine Krise von Vorsorge- und Zukunftssystemen. Eine Krise, die sich auf Gegenwart und Zukunft bezieht.“
Der Euro ist eine höchst stabile Währung – die Eurozone bleibt bestehen
Der Euro sei keineswegs die Ursache der Krise, vielmehr „eine der stabilsten Währungen, die wir haben“, so Gottfried Haber. Der Euro werde daher auch weiterhin Bestand haben. Eine Spaltung der Eurozone sei nicht zu erwarten, da „der Trend auf stärkeres Zusammenrücken“ global vorherrschend sei. Das Wirtschaftswachstum werde aber in den nächsten Jahren gering bleiben und die Bedingungen für Unternehmen, auch auf den internationalen Märkten, härter werden.
„Was wir brauchen“, betonte demgegenüber Gottfried Haber zum Abschluss seines ersten Redeteils, „ist eine Aufbruchsstimmung. Und Aufbruch kann auch immer heißen, dass man zu neuen Gestaden aufbricht. Und das ist eine Frage von Internationalisierungsstrategien.“
Univ.-Prof. Barbara Brenner: Die Bilder der Globalisierung sind übertrieben
Im ersten Teil ihrer Antrittsvorlesung stellte Univ.-Prof. Barbara Brenner die sehr interessante Frage nach dem tatsächlichen Ausmaß der Globalisierung. „Vieles, was kolportiert wird, in Bezug auf die Globalisierung“, konstatierte sie, „ist sehr übertrieben – auch in den Köpfen und Erwartungen von Managern“.
Tatsächlich liege heute etwa der Anteil grenzüberschreitend geführter Telefonate weltweit erst bei 2 Prozent und der Anteil an Immigranten erster Generation weltweit nur bei 2,9 Prozent. Auch die Realgrößen der wirtschaftlichen Indikatoren für Globalisierung würden von vielen Menschen stark überschätzt, und zwar gerade auch von Managern, wie neuere wissenschaftliche Erhebungen (unter US-amerikanischen Managern) deutlich zeigten.
Selbst Manager überschätzen die Wirtschaftsindikatoren für Globalisierung
Tatsächlich betrage heutzutage der Anteil der „Direktinvestitionen im Ausland“ an allen Direktinvestitionen weltweit nur erst 10 Prozent. „Das ist nicht gerade viel“, so Barbara Brenner. Und nur gerade einmal 18 Prozent aller weltweiten Patente würden grenzüberschreitend gelten. Und der wichtigste Indikator: Der Anteil der Exporte an der gesamten globalen Wirtschaftsleistung betrage real nur erst rd. 20 Prozent, aber nicht 30 Prozent, wie zumeist kolportiert, ein Wert, der sich nur aus statistischen Doppelzählungen ergebe.
Die Globalisierung ist also, so die These von Brenner, bislang weniger weit vorangeschritten, als von vielen gedacht und angenommen werde. Andererseits sei, betonte Brenner ebensosehr, die geographische Struktur der Globalisierung nicht die einer relativ gleichförmigen Integration aller Märkte. „Die Welt ist nicht flach, sondern sehr stachelig“, so Barbara Brenner. Das heißt: „Die ökonomischen Aktivitäten spielen sich hauptsächlich in bestimmten Zentren ab.“
China wird USA bald überholen – die große Aufholjagd der „emerging economies“ als große Herausforderung
Dennoch bestehe eine große Herausforderung für Wirtschaft und Staaten durch die Globalisierung. Ihre Dynamik sei, so Barbara Brenner, vor allem durch eines wesentlich gekennzeichnet: Die „unglaubliche Aufholjagd der emerging economies seit den 1970er Jahren“ – allen voran Chinas, das nach einigen derzeitigen Prognosen schon im Jahr 2040 die USA als bis dato größte Weltwirtschaft überholen könnte. Und dieses Spannungsfeld charakterisiere das Umfeld und die Bedingungen, auf die sich Unternehmensstrategien zur Expansion auf internationalen Märkten zwingend einstellen müssten.
Univ.-Prof. Haber: Globalisierung bringt Gesundheits- und Vorsorgesysteme unter Druck
Den zweiten Teil seiner gemeinsamen Antrittsvorlesung mit Barbara Brenner widmete Univ.-Prof. Gottfried Haber dann der Frage der Rückwirkung der Globalisierung auf die Gesundheits- und Vorsorgesysteme, entsprechend seinem zweiten Forschungs- und Lehr-Portfolio an der Donau-Universität Krems: „Mangement der Gesundheitssysteme“.
Sein Fazit: Je stärker die Internationalisierung voranschreite, desto mehr würden die Gesundheits- und Vorsorgesysteme unter Druck geraten. Und zwar aufgrund mangelnder Schnittstellen und der Systematik der Finanzierung, die nach wie vor im Wesentlichen ein national in sich geschlossenes System voraussetzt.
Das Problem sei aber noch vielfältiger und komplexer, insofern selbst auf Bundesländerebene die System- und Schnittstellenproblematik der Gesundheitssysteme noch keineswegs durchgehend gelöst sei. Das heißt, die Probleme auf der Makroebene der Globalisierung bestehen zur Zeit zum Teil selbst noch auf der Mikroebene. „Wir sind gerade erst dabei, die Grenzen zwischen Bundesländern in Östereich aufzuweichen. Und die Grenzen quer durch Europa sind immer noch da“, so Gottfried Haber.
Univ.-Prof. Brenner: Erfolgsstrategien internationaler Unternehmen auf globalen Märkten
Univ.-Prof. Barbara Brenner schloss ihre Antrittsvorlesung mit einem Ausblick auf Erfolgsstrategien internationaler Unternehmen auf globalen Märkten. „Als international agierendes Unternehmen habe ich ein großes Spannungsfeld von ‚Distanzen‘, das ich lösen und bewältigen muss: kulturelle Distanz, administrative Distanz, geographische Distanz, Unterschiede im Bildungssystem und im Rechtssystem usw.“, so Barbara Brenner. „Man kann nicht einfach auf die Märkte gehen, sondern muss all diese Distanzen sorgfältig evaluieren.“
Zugleich bedürfe es vielfältiger und komplexer Steuerungsmechanismen in den Unternehmen, um die daraus resultierenden Anforderungen bewältigen zu können. Außerdem besonderer Fähigkeiten der Unternehmen – wie der „dynamic capabilities“ und „last but not least: interkulturell kompetenter Führungskräfte“. In einem Überblick über weltweit führende Marken („brands“) illustrierte sie dann abschließend einige dieser Innovationsstrategien mit konkreten Beispielen, darunter auch des chinesischen Unternehmens Haier, das inzwischen bei Haushaltsgeräten zum Weltmarktführer aufgestiegen ist.
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Univ.-Prof. Gottfried Haber und Univ.-Prof. Barbara Brenner
und ihre Forschung und Lehre an der Donau-Universität Krems:
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