Die Abgründe sind wir selbst
„Von der ersten Seite an merkt der Leser, dass dieser Familie ein dunkles Geheimnis zugrunde liegt …“. Noch 2014 ist der Debütroman „Wie im Wald“ von Elisabeth Klar im Residenz Verlag erschienen. Ein spannender Blick in die Abgründe der menschlichen Seele.
von Wolfgang Kühn |Es ist immer wieder eine Freude, an dieser Stelle über Debütromane von jungen Autorinnen und Autoren berichten zu dürfen. Noch dazu, wenn man ihnen, wie der 1986 geborenen Elisabeth Klar, schon ab und an literarisch begegnet ist.
Vor gut zehn Jahren war sie mit ihrer Kurzgeschichte „Wir sind Magier“ zwar nicht unter den prämierten Texten eines Jugendkreativwettbewerbes, fand aber aufgrund der sprachlichen Qualität ihrer Einreichung dennoch Eingang in die Anthologie Junge Literatur“ (Edition Aramo, 2005, www.aramo.at). 2012 war sie mit ihrem Beitrag „Sonntagnachmittag“ in DUM 64 (www.dum.at) vertreten, einem Text, der im Zirkusmilieu angesiedelt ist und in seiner Rätsel- und Zauberhaftigkeit schon sehr an den nun vorliegenden Debütroman „Wie im Wald“ (Residenz Verlag 2014) erinnert.
Eine Idylle gerät aus den Fugen
Das Gerüst des Romans bildet eine Dutzendfamilienkonstellation – Vater August, Mutter Inge, die Kinder Peter, Margarete und die Nachzüglerin Karin, dazu sehr dominante Großeltern, nichts Ungewöhnliches möchte man meinen. Die scheinbare Idylle gerät aus den Fugen, als die Familie das Pflegekind Lisa – von ihrer verwahrlosten Mutter Jennifer bedroht und daraufhin geflüchtet – bei sich aufnimmt.
Irgendwann ist Lisa aber plötzlich weg und Vater August tot, zwei Jahre später stirbt auch Mutter Inge. Peter zieht nach Salzburg, Margarete nach London, doch Karin beschließt, mit ihrem Freund Alexander im Elternhaus am Rande des Waldes zu wohnen.
Die Verwahrlosung greift auf Lisa über
Zehn Jahre nach dem Tod von August und dem damit vermutlich in Zusammenhang stehenden Verschwinden von Lisa, stößt Karin die ganze Familie vor den Kopf, in dem sie Lisa aus einer Wohngemeinschaft zurück in jenes Haus holt, in dem sie gemeinsam einen Teil ihrer Kindheit und Jugend verbracht haben. An dieser Stelle setzt der Roman ein, alles davor erfahren wir in Rückblenden, von den Spielen im Wald, vom gemeinsamen Freud Martin, von den herrschenden Strukturen in der Familie.
Lisa wird an manchen Stellen des Buches in die Nähe von Astrid Lindgren’s „Räubertochter Ronja“ gerückt. Die Verwahrlosung der Mutter greift auf Lisa über, speziell nach der Rückholung ins „Unglückshaus“ fällt sie in alte, sehr beschaulich geschilderte Muster zurück.
Ein dunkles Geheimnis der Familie
Von der ersten Seite an merkt der Leser, dass hier etwas nicht stimmt, dass dieser Familie ein dunkles Geheimnis zugrunde liegt, Beklemmung erfüllt den Leser auf jeder der 270 Seiten dieses Buches.
Der rätselhafte Tod von Vater August ist das zentrale Thema, um das sich alles dreht. War es Mord? Selbstmord? Ein Unfall? Was hat Pflegekind Lisa damit zu tun? Und was bezweckt Karin, als sie Lisa nach zehn Jahren zurück ins Elternhaus holt? Elisabeth Klar lässt Karin und Lisa zumeist in rascher Abfolge in die Rollen der Ich-Erzählerin schlüpfen, oft wird ein- und dieselbe Szene aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. Lisa und Karin geraten immer mehr in einen Sog gegenseitiger Abhängigkeit. So nähert sich die Autorin, so nähert sich der Leser Seite um Seite der Lösung des Geheimnisses an.
Elisabeth Klar lässt uns auf magische Weise an den Abgründen der menschlichen Seele teilhaben. In ihrem Roman „Wie im Wald“ ist nichts so, wie es scheint – schön angerichtet, aber keine leicht verdauliche Kost!
Begeistert zeigt sich auch Rezensentin Daniela Strigl in „Der Standard“ vom 29. November 2014: „Mit ihrem famosen Debüt führt Elisabeth Klar uns tief hinein in den Wald des Märchens, der Kindheit und der unschuldigen Grenzübertretung“, oder wie sie an einer anderen Stelle schreibt „Elisabeth Klar dirigiert einen beklemmenden Reigen der Kippfiguren und Kippbewegungen: Der Wald kippt, wir kippen.“
*****
Wolfgang Kühn / © magzin.at
magzin-literaturtipp:
Elisabeth Klar: Wie im Wald. Roman. Residenz Verlag. 2014
weitere Infos unter:
www.residenzverlag.at
Cover: © Residenz Verlag