Im Verlag Hanser Berlin ist soben der neue Roman von Robert Seethaler erschienen: „Ein ganzes Leben“. Auf 160 Seiten erzählt er das glücklose Leben des Andreas Egger in einem Bergtal.
von Wolfgang Kühn |
Wenn man jemanden fragt, ob er oder sie den österreichischen Schriftsteller Robert Seethaler kenne, wird man nicht selten mit der Gegenfrage „Ist das nicht der Zetteldichter?“ konfrontiert.
Der fünfte Roman des gebürtigen Niederösterreichers
Nein, natürlich nicht, Robert Seethaler hat zuvor bereits vier Romane veröffentlicht, und jetzt den fünften. Und doch ergeht es ihm ein wenig wie dem Propheten im eigenen Land.
Das mag wohl auch daran liegen, dass der aus Niederösterreich stammende Autor, der 2008 mit dem Anerkennungspreis des Landes NÖ für Literatur ausgezeichnet wurde, seine ersten vier Bücher beim Schweizer Verlag „Kein & Aber“ veröffentlicht hat. Aber mit dem neuen Roman „Ein ganzes Leben“, der im Herbst 2014 als Spitzentitel bei Hanser Berlin geführt wird, dürfte Robert Seethaler nun über den Umweg Deutschland auch in Österreich ankommen.
Das glücklose Leben des Andreas Egger – „Ein ganzes Leben“
Hanser Berlin 2014
„Ein ganzes Leben“ ist ein knapp 160 Seiten schmaler Roman über das Leben des Andreas Egger. Der Protagonist kommt mit etwa vier Jahren in ein nicht näher benanntes Tal, in dem er fast sein ganzes langes Leben verbringen wird.
Der kleine Andreas wächst beim Großbauern Hubert Kranzstocker auf, der ihn widerwillig von einer früh verstorbenen Schwägerin übernimmt und als Hilfsknecht am Hof aufzieht. Den Züchtigungen des Großbauern verdankt Andreas Egger einen Oberschenkelbruch, der ihm – notdürftig zusammengeschoben – sein restliches Leben ein krummes rechtes Bein und so manchen schiefen Blick beschert.
Mit achtzehn verlässt Andreas den Hof, heuert bei der Firma Bittermann und Söhne an, die Bergbahnen im Tal errichtet, und lernt schließlich Marie, die Liebe seines Lebens kennen. Doch das Glück ist nur von kurzer Dauer, eine Lawine entreißt ihm seine Liebe und sein ganzes Hab und Gut.
Im Kontext des großen Universums
Mit einer wunderbaren Leichtigkeit, die schon seine Vorgängerromane „Jetzt wirds ernst“ und „Der Trafikant“ auszeichnete, vermag Robert Seethaler Schicksalsschläge und Katastrophen zu erzählen, einer Leichtigkeit, die uns die „relative Unwichtigkeit“ eines Unglücks im Kontext des großen Universums erfühlen lässt. Was ist schon ein abgetrennter Arm eines Arbeiters, ein abgefrorenes Bein eines Ziegenhirten, was ist schon ein ganzes Leben?
„Die weiteren Aussichten“, um einen weiteren Buchtitel von Robert Seethaler zu zitieren, sind gut. Mit seinem neuen Roman „Ein ganzes Leben“ wird sich der 1966 geborene Autor verdientermaßen in die heimische Literaturgeschichte schreiben.
