Die Atomkraft ist für den Menschen nicht geeignet, sagte Risikoforscher Wolfgang Kromp bei der Veranstaltung „Energie der Zukunft“ letzte Woche im AKW Zwentendorf. „Man muss heute sagen“, so Kromp, „dass diese Technologie schlicht und einfach für diesen Menschen, den homo sapiens sapiens, nicht geeignet ist.“
Mit einem Supergau war zu rechnen
Viele der Kernkraftwerke, die Österreich umgeben, würden den angekündigten AKW-Stresstest, wenn er seriös durchgeführt wird, nicht bestehen, so Kromp in seinem Vortrag weiter. Er selbst habe sehr wohl damit gerechnet, dass es noch zu seinen Lebzeiten zu einem weiteren Super-Gau kommt. „Man darf nicht vergessen, dass es zwischen den beiden großen Atomunfällen in Tschernobyl und Fukushima etwa alle zwei Jahre einen Beinahunfall in einem AKW gegeben hat, wo man nur haarscharf an einer Katastrophe vorbeigeschrammt ist.“
Keine Prüfung der Erdbebengefahr bei den meisten AKW
In Europa stehen rund 150 Kernkraftwerke. Der Großteil an Flüssen wegen des Bedarfs an Kühlwasser. Die Flüsse aber, so Kromp, bewegen sich oft entlang seismischer Brüche. Also genau dort, wo schwere Erdbeben am ehesten auftreten. Etwa das slowenische AKW Krsko. „Ich habe noch immer den Verdacht“, so Kromp, „dass das AKW Krsko am falschen Platz steht; nämlich in einer sehr starken Erdbebenzone, die zu den stärksten Europas gehört.“
Das Erdbebenrisiko in Krsko wurde aber, so Kromp, nie wissenschaftlich untersucht. Nur die Amerikaner hätten ein geeignetes seismologisches Verfahren entwickelt. Für die meisten AKW in Europa habe es aber niemals eine Messung der Erdbebengefahr gegeben.
Politik braucht Unterstützung einer aufgeklärten Bevölkerung
Atomausstieg und Energiewende zu Erneuerbaren Energien seien keine Selbstläufer, mahnte Kromp. „Es ist vor allem ein mentales Umdenken notwendig.“ Es gebe starke Interessengruppen, die diesem Weg großen Widerstand entgegensetzen. „Die etablierten Kräfte wollen ihre alten Sachen amortisieren. Und die denken nicht so leicht daran, hier das Feld zu räumen. Und von dort kommen die größten Widerstände.“
Kromp begrüßte ausdrücklich die Zielsetzungen von Umweltlandesrat Stephan Pernkopf, der diese für Niederösterreichs Umstieg auf Erneuerbare Energien dargelegt hatte. Die Politik brauche für diese Ziele aber die Unterstützung einer aufgeklärten Bevölkerung, betonte Kromp. „Nur mit der Bevölkerung, mit einer aufgeklärten Bevölkerung kann hier die Politik etwas Vernünftiges tun.“
Gefragt ist der mündige Bürger, nicht Werbung und Massenmedien
Gefragt sei der „mündige Kunde, der nicht darauf wartet, bis alles Gute von oben kommt, sondern der selbst handelt“. Auf Werbung und Massenmedien sei wenig zu zählen, da diese zu sehr von der „globalisierten Industrie abhänge, die die eigentliche Macht hat. Mehr Macht als die Politiker im Großen und Ganzen.“
Der westliche Lebensstil lasse sich nicht globalisieren, so Kromp weiter. Der Energie- und Ressourcenverbrauch dafür sei viel zu groß. Daher müsse Europa eine Vorbildwirkung entfalten, die nicht materiellen Wohlstand und Konsum idealisiert, sondern Lebensqualität, Genügsamkeit und immaterielle Werte. „Wir müssen runter von unserem hohen Ross, damit die anderen ein bißchen rauf können.“
Kein höherer Strompreis trotz AKW-Stilllegung in Deutschland
An der Podiumsdiskussion waren auch Patricia Lorenz, Atom-Expertin der Umweltorganisation Global 2000, und Adolf Aumüller, Geschäftsfeldleiter EVN Kraftwerke, beteiligt.
„Die Abschaltung von sieben Kernkraftwerken hat bislang keine Auswirkung auf die kurzfristigen Strompreise gezeigt“, erklärte Aumüller. Auch die diesbezüglichen Vorschau-Berechnungen für die nächsten drei Jahre ließen nur einen leichten Preisanstieg erwarten – trotz des Szenarios, dass AKW in Deutschland vom Netz gehen könnten.
Patricia Lorenz, Global 2000: Atomausstieg nicht glaubhaft
„Es muss den Atomausstieg und die Energiewende geben. Es gibt ja keine Alternative“, sagte Patricia Lorenz. Die Atomkraft-Befürworter würden sich aufgrund der Reaktorkatastrophe in Fukushima zur Zeit äußert zurückhalten. Aber nur vorübergehend. „Solange in der Europäischen Union nicht klar gesagt wird, wir wollen den Ausstieg aus der Atomkraft, wird auch in Zukunft nicht viel passieren.“
Sie bezweifelt, dass es nach dem AKW-Moratorium in Deutschland tatsächlich zu einer Stilllegung von Kernkraftwerken kommen werde. „Wie es jetzt aussieht, glaube ich ehrlich gesagt nicht, dass irgendwas vom Netz gehen wird.“
NÖ-Umweltlandesrat Pernkopf: Weg von Atom, Öl und Gas
„Wir müssen zu 100 Prozent ein Land der Erneuerbaren Energien werden“, sagte NÖ-Umweltlandesrat Stephan Pernkopf in seiner engagierten Rede zur Energiepolitik für Niederösterreich. „Wir wollen absolut weg vom Atomstrom. Und wir wollen weg von Öl und Gas.“ Er habe bereits bei seiner Antrittsrede als NÖ-Umweltlandesrat klar gesagt, die Energiewende sei unumgänglich.
Niederösterreich, so Pernkopf, habe dabei inzwischen eine große Vorreiterrolle. Rund 90 Prozent des Strombedarfs würden im Bundesland bereits aus Erneuerbarer Energie gedeckt. Im Vergleich: Der europäische Durchschnitt liege erst bei 20 Prozent.
Bis 2015: NÖ-Strom zu 100 Prozent erneuerbar
Bis 2015 will die Landesregierung den Strombedarf Niederösterreichs zu 100 Prozent aus Erneuerbarer Energie speisen. Bereits jetzt kommen 60 Prozent aus der Wasserkraft. Weiter forciert werden sollen nun Windkraft, Biomasse, Photovoltaik und die kleine Wasserkraft. „Wir können im Bereich der Kleinwasserkraft etwas tun. Wir können sehr viel tun im Bereich der Windkraft, im Bereich der Biomasse und der Photovoltaik.“
NÖ bei Windkraft schon Spitzenreiter
Viele erfolgreiche Schritte zur Energiewende wurden bereits gesetzt. Der Anteil der Windkraft betrage in NÖ bereits 11 Prozent, im Bundesdurchschnitt hingegen nur 3 Prozent. Die 340 Windräder in Niederösterreich erzeugten bei Vollleistung die gleiche Strommenge, die das stillliegende AKW Zwentendorf gebracht hätte.
Und auch bei Biomasse und Photovoltaik
In Niederösterreich gebe es bereits 540 Biomasse-Anlagen. In Bayern, im Vergleich dazu, nur 280. Mit der Biomasse verbleiben 100 Mio. Euro Wertschöpfung jährlich im Land, die an die heimischen Bauern und Unternehmen gehen, anstatt durch Ölimporte ans Ausland abzufließen. „Mit unseren Biomasseanlagen können wir bereits sicherstellen, dass wir uns jährlich 5.000 Tanklastzüge voller Heizöl ersparen.“
Auch bei der Photovoltaik habe Niederösterreich eine Spitzenposition, so LR Pernkopf. In NÖ wurden in den letzten Jahren rund 7.000 Solaranlagen errichtet und vom Land gefördert. „Alle anderen Bundesländer haben nicht einmal 6.000 miteinander zusammengebracht.“
Verantwortung statt Bedenkenträgerei
„Wir müssen diesen Weg konsequent weitergehen“, betonte Pernkopf. Einerseits Energiesparen, andererseits Ausbau der Erneuerbaren Energien. Man dürfe nicht erst auf die Ergebnisse internationaler Klimaschutzkonferenzen warten. Und er mahnte an, dass die üblichen Einwände – die Photovoltaik sei noch zu teuer, die Windräder unschön, die kleine Wasserkraft umweltschädigend – nicht zu Ausreden werden dürften. Man würde sonst Gefahr laufen, dass die Energielücke am Ende durch Atomstromimporte gedeckt werden müsste.
Ökostromkosten sind in Deutschland dreimal höher
Auch die Kosten für den Ökostrom verteidigte Pernkopf. „Da reden wir von 30 Euro pro Haushalt und Jahr, was die Konsumenten und die Betriebe mehr zahlen.“ In Deutschland werde das Dreifache ausgegeben, um die Energiewende voranzutreiben. Zu sehen sei dabei auch, dass die Ölpreiserhöhungen im Jahr 2010 allein im Bereich Mobilität Mehrkosten von 1,2 Mrd. Euro verursachten. Gelder zugleich, die aus Österreich ins Ausland abflossen.
Investition in Energiewende bringt viel Kostenersparnis in der Zukunft
Die Investitionen in die Erneuerbaren Energien würden sich, so Pernkopf weiter, in der Zukunft erheblich rentieren. Wirtschaftsexperten hätten für Deutschland berechnet, dass die Energiewende bis 2020 rund 140 Mrd. Euro an Investitionen erforderlich macht. Diese würden aber später – allein 2030 bis 2040 – Ersparnisse von 270 Mrd. Euro nach sich ziehen. Das bedeutet, auf der Zeitachse betrachtet, einen großen gesamtwirtschaftlichen Gewinn durch die rechtzeitige Energiewende.