Mit Mundart und Poesie gegen die Klischees am Land – der Sprachschnitzer Wolfgang Kühn

Er ist Langenloiser und vielen bekannt. Seine Mundartgedichte nennt er „Sprachminiaturen“. Bissig, witzig und wortgewaltig. Er nimmt das Waldviertel und die Wachau aufs Korn. Die Klischees, die er hier findet, und die manchmal schwulstigen Fassaden.
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Im April neu erschienen: Kühns Hörbuch "aus meina wöd" im Waldviertler Steinverlag.

Es ist sprachmächtig, sprach­gewaltig, was der Langenloiser Wolfgang Kühn da bringt. Mundart-Poeme, aber ganz modern. Seit April gibt es eine Hör-CD: „aus meina wöd“. Im Wald­viertler Stein­verlag her­aus­gebracht.

Wachauer Volksmusik verschrägt

Wolfgang Kühn ist vielen bekannt. Nicht nur in der Region. Seit 2002 hatte er viele Auftritte als Dichter und Singsanger, allein und mit der Musik-Formation „Zur Wachau­erin“. Die „verschrägt“ und bricht die süße Wach­auer Vol­ks­musik, wie sie Ernst Schandl in Um­lauf brachte.

Genial sind da Musik, Texte, Stimme und Singsang wie etwa im „Wachau Blues“ und „Olle bot“. Das stellt selbst das Wienerlied in den Schatten, zumindest das, was oft stereotyp daraus gemacht wird. (Man kennt die ähnlichen Witze und Gesten vielleicht schon zu lange.)

Viel Wein und viele Bürgermeister

Der Wein ist ein heißes Thema in „meina wöd“. Klar für Langenlois. Meist ist es aber der Rausch. Ein nur halber ist rausgeworfenes Geld, sagt eine Figur bei Kühn. Alle werden Bürgermeister, erzählt ein anderes Poem – der „Ägyptische Sommer“. Ein nächstes: Das Leben ist kein Wunschkonzert, mahnt die Mutter oft ihren Sohn, der darum später Kapellmeister wird.

Porträt Wolfgang Kühn
In Baden geboren. In Langenlois aufgewachsen: Wolfgang Kühn (Foto: Petra Halbmayer)

Eine alte Dame verdrischt den Bürgermeister für den Schwulst seiner Jubiläumsrede. Ein Bauer rastet aus, weil japanische Touristen ihren Daihatsu auf seinem Kartoffelacker parken. Die „Ballad blad“ – ein Speisekarten-Rap – ist die Wachauer Variante des guten, aber un­ge­sun­den Film­klassikers „Das große Fressen“.

Graus vorm süßen Mundartgedicht

„Ich habe einen ziemlichen Graus vor wunderschönen Mundartgedichten, wo die Vöglein zwitschern in den Bäumen“, erklärt Kühn im Interview mit magzin.at. Fürs Thema Rausch – wie in den „Kamptaler Befindlichkeitsvariationen“ – hat er 38 verschiedene Ausdrücke in der Mundart gefunden, bei Freunden und Bekannten, und das dann köstlich-ironisch komponiert.

Als er in Indien auf Tournee war, verfasste er das „Mantra in Weitra“. Da paarte er Hindi (die Alltags- und Amtssprache in Indien) mit Waldviertlerisch. Ein Rikschafahrer war ihm behilflich. Wunderbar, erinnert er sich, hat das Mantra dem indischen Publikum dann gefallen.

„Ich bin ein Handwerker und Sprachschnitzer“

Titelseite des Buchs In meina Wöd
Wolfgang Kühns Buch "in meina wöd", 2010. Nur Teile sind ident mit dem Hörbuch.

Ich schreibe keine Gedichte, sondern Sprach­minia­turen, sagt Kühn. „Ich glaube, dass ich eher ein Hand­werker, ein Sprach­spieler oder Sprach­schnitzer bin als ein Schrift­steller.“

Rhythmus und Sprachlust sind grandios bei Kühn. Die Wortpalette ist riesig. Da zeigt sich bei ihm die Größe der Mund­art – aus­drucks­stark, phantasie- und facet­ten­reich, ver­spielt. Aber auch ihr Schat­ten: eine Welt, die un­be­weg­lich still steht. Die sich in Rol­len, im Gehabe, in Sprach­hülsen und in bit­teren Ent­täusch­ungen ver­irrt hat.

Da Weinbeisser (Auszug)
»so a ehrlose schludern,

hot a gmotschkert,
den wei bringst jo net owe,
der hot a äutl,
außerdem faiklt a!
a richtiga darmreissa,
hot a gschimpft, […]
owa ausgsoffn hot an trotzdem immer,
sein täglichn doppler grean!«

Klischees und barocken Putz abklopfen

Die Klischees will er brechen. „Das tue ich gern, den barocken Putz herunterklopfen. Dass einfach wieder die natürlichen Fassaden dastehen“, meint Kühn. Ein feiner, oft aber auch „hinterlistiger Humor“ erwartet seine Zuhörer.

Viel ist er mit Lesungen und Konzerten herumgekommen. Nur in Kärnten war er noch nicht zu einem Auftritt, betont er. Aus bestimmten Gründen. Er selbst ist in Baden geboren und mit neun Jahren nach Langenlois, ans südöstliche Ende des Waldviertels, gekommen.

Waldviertler Dichtung oder universelle?

Porträt Wolfgang Kühn
Wolfgang Kühn - sensible Texte mit "hinterlistigem Humor" (Foto: Rene Bauer)

Ob seine Mundart Wald­viert­ler Dich­tung ist? Nein, meint der Langen­loiser Sprach­poet. Sie wird selbst in Vor­arl­berg und in Deutsch­land sehr gut auf­genom­men und ver­standen. „Ich glaube, es sind öster­reichische, oft auch über­haupt mensch­heitliche Themen und Phä­no­mene, die da be­schrie­ben wer­den.“

Dorftratsch in Kolumbien

Der Dorftratsch zum Beispiel – neben Suff, Fresserei und Mann-Frau-Verhältnis bei ihm ein weiteres Thema. Bei seinen Lesungen in Kolumbien wussten alle bestens, was das ist. Die dortigen Zuhörer dankten, indem sie die Dorftratsch-Poeme mit Trommeln und besonderem Klatschen begleiteten. Obwohl sie nur Rhythmus, Klang und das Thema im allgemeinen, kurz erklärt, verstanden.

Die Wirklichkeit ist oft traurig genug

Kühn macht die Gedichte und Themen nicht willkürlich. Er registriert sie, er liest sie in der Lebenswelt auf. „Ich brauche zum Glück nicht viel erfinden, weil die Wirklichkeit ist oft traurig genug. Es ist einfach die Wahrnehmung. Wenn ich mit dem Zug nach Wien fahre und an der richtigen Stelle sitze, könnte ich gleich wieder einiges schreiben.“

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Hörproben und Infos zur „Zur Wachauerin“
Hörprobe: „Zur Wachauerin“ auf YouTube
Hompage: www.zurwachauerin.at

Steinverlag: www.steinverlag.at

CD und Bücher – Wolfgang Kühn
„aus meina wöd“ – Hörbuch, 2011 – Steinverlag
„in meina wöd“ – Buch, 2010 – Steinverlag
Das Hör-CD enthält neueste Poeme und nur zum Teil die Gedichte aus dem Buch.

CDs – „Zur Wachauerin“ – moderne Volxmusik
„in meina wöd“ – Musik-CD, 2010
„Zur Wachauerin & Die Strottern – Live bei Glatt&Verkehrt“ – Musik-CD, 2005
„Kalmuk“- Musik-CD, 2003 u. 2004

Fotos: © siehe einzelne Bilder
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