Über die Wirtschaftslage der großen Länder des „Arabischen Frühlings” berichtete am Donnerstag ein Forum der Außenwirtschaft (AWO) der Wirtschaftskammer in Wien. Starke Einbußen beim Tourismus von 35 bis 60 Prozent haben Ägypten und Tunesien schwer getroffen. In Libyen ist die Erdölförderung bereits wieder voll auf Touren. Österreichs Exporte in die Region sind trotz Revolution stark gewachsen.
Tunesien – 35 Prozent weniger Tourismus
In Tunesien, wo der Arabische Frühling Ende 2010 begann, sei im Revolutionsjahr 2011 die Wirtschaftsleistung (BIP) um 1,8 Prozent geschrumpft, beschrieb Stephan Gebeshuber (AWO Algier) die Lage.
Die Arbeitslosenzahl in Tunesien (mit 10,3 Mio. Einwohnern) liege aktuell nach offizieller Statistik bei 20 Prozent. Der Tourismus, eine der Haupteinnahmequellen des Landes, sei im Vorjahr um 35 Prozent eingebrochen. Eine weitere Zunahme der Arbeitslosigkeit sei unvermeidlich, falls kein Wirtschaftswachstum über 3 Prozent zustande komme, meinte Gebeshuber.
Österreichs Außenhandel habe sich dennoch sehr positiv entwickelt. Die heimischen Exporte nach Tunesien hätten im Revolutionsjahr mit einem Plus von 14 Prozent kräftig zugelegt.
Ägypten – 60 Prozent weniger Tourismus
Dramatisch sei die Wirtschaftslage in Ägypten, dem zweiten und mit 80,4 Mio. Einwohnern größten Land des Arabischen Frühlings, erläuterte Kurt Altmann (AWO Kairo). Der Tourismus im Nilland sei im Revolutionsjahr 2011 um 60 Prozent zurückgegangen. Die Wirtschaft befinde sich in einer Rezession.
Zahlreiche EU-Länder hätten starke Einbußen beim Außenhandel mit Ägypten erlitten, so Altmann. Im EU-Durchschnitt sechs Prozent.
Anders Österreich. Österreichs Wirtschaft habe ihre Exporte nach Ägypten im Revolutionsjahr sogar um 11 Prozent steigern können. Besonders gute Chancen in Ägypten bestünden für Österreichs Unternehmen bei Wasserkraft, Energie und Transport.
Libyen – Erdölförderung wieder voll auf Touren
Libyen (mit 6,4 Mio. Einwohnern), das in einem blutigen Bürgerkrieg mit NATO-Unterstützung die Diktatur Gaddafis stürzte, habe seine Ölförderung fast wieder auf das frühere Niveau hochgefahren, berichtete David Bachmann (AWO Tripolis).
Die jetzt geförderten 1,4 Mio. Barrel Erdöl pro Tag brächten zirka 150 Mio. Dollar pro Tag in Libyens Staatskassen. Das bedeute eine wesentlich bessere Ausgangslage als in Tunesien und Ägypten.
Dreißig Prozent der Erdölimporte Österreichs würden jetzt wieder aus Libyen gedeckt, so Bachmann weiter. Da Österreichs Image beim neuen Regime nicht kompromittiert sei, bestünden gute Aussichten für heimische Unternehmen in Libyen, besonders in den Sektoren Sicherheit, Gesundheit, Bildung, Infrastruktur und Konsumgüter.