Niederösterreich und Burgenland sind die Giganten der Windkraft Österreichs – mit riesigem Abstand zum Rest der Bundesländer. Besonders trist ist die Situation in West-Österreich. Nicht ein einziges Windrad dreht sich dort. Was sind die Gründe und Hintergründe dieser Lage der Windkraft in den einzelnen Bundesländern, wollte magzin.at wissen?
92 Prozent der Windstrom-Kapazitäten stehen in NÖ und Burgenland
„Niederösterreich ist das Windland Österreichs“, sagt Stefan Moidl, Geschäftsführer des Branchenverbands IG Windkraft, im Gespräch mit magzin.at. 111 der 164 Windparks, die Ende 2010 in Österreich in Betrieb waren, stehen in Niederösterreich. Mit einer Gesamtstromleistung von 557 Megawatt (MW). Das sind 55 Prozent der gesamten Windkraft Österreichs.
Einzig das Burgenland hält da mit. Seine 206 Windräder verfügen über eine Kapazität von 369 MW. Das sind 37 Prozent der Windkraftleistung Österreichs. Eine sehr beeindruckende Bilanz. Denn beide Giganten gemeinsam – NÖ und Burgenland – haben fast die gesamte Windkraft Österreichs auf die Beine gestellt: rund 92 Prozent.
Bessere Windverhältnisse im Osten
Was sind die Gründe dafür? Warum haben die beiden Bundesländer einen so großen Vorsprung bei der Zukunftstechnologie Windkraft?
Zum einen: Ost-Österreich hat ausgezeichnete Windverhältnisse. „Hier herrschen das östliche und das westliche Windsystem zugleich vor. Dadurch gibt es hier Windverhältnisse wie 10 Kilometer hinter der deutschen Ostseeküste“, erklärt Moidl.
Die „Winderträge“ bzw. die „Windernte“, wie das die Branche so schön nennt, ist hier sehr hoch. Rund 2.000 Volllaststunden sind im Schnitt pro Jahr möglich. Das sind 23 Prozent der Jahresgesamtzeit. Im Landesinneren Deutschlands etwa werden nur 1.500 erreicht.
Volllast ist, wenn das Windrad maximal dreht und maximale Leistung liefert. Bei der Photovoltaik liegt die Volllast in Österreich bei durchschnittlich 1.000 Stunden. Aber Vorsicht. Der Parameter führt leicht in die Irre. Denn die Windräder laufen fast immer, meist auf sehr hohem Niveau.
Alpen und Wälder – technische Probleme, höhere Kosten
Zweitens: Im alpinen Gelände und in Wäldern steht die Windkraft vor größeren Problemen. Zwar bieten Alpenstandorte – wegen der Thermik – exzellente Windverhältnisse. Aber die Bau- und Erschließungkosten sind hier oft viel größer als im Flachland mit naher Infrastruktur. Klar, dass zum Beispiel 18 km Stromverkabelung im schwer zugänglichen Gebirge sehr viel teurer sind als 2 km Zuleitung zum Hochspannungsnetz etwa im Weinviertel.
Auch Wald war bislang ein technisches Hindernis für die Windkraft. Aufgrund der Verwirbelung der Windströme. „Die Windkraft entwickelt sich in die Höhe, weil oben der Wind konstanter bläst“, erläutert Stefan Moidl.
Die Standardhöhe der Windtürme lag zuletzt bei 115 Metern (Nabenhöhe). Die künftige Generation der Windräder geht auf 132 Meter. „Mit dieser Turmhöhe können wir über die Verwirbelungzone bei den Wäldern hinauskommen. Das ist einer der technischen Gründe, warum jetzt mehr über Waldstandorte diskutiert wird.“ Optisch, sagt Moidl, werden die höheren Türme im Landschaftsbild kaum anders wirken.
Hauptgrund: Die Landespolitik entscheidet
Der Hauptgrund aber, ob in Bundesländern Windkraft steht oder nicht, ist die Politik. „Dass gar nichts da ist, ist die politische Situation“, sagt Moidl. Zum Beispiel Tirol, wo bis heute kein einziges Windrad steht. „Da war immer eine starke politische Ablehnung der Windkraft, auch durch die Landesregierung“, sagt Stefan Moidl ohne Umschweife.
In Kärnten – wo der Windkraftausbau minimal ist (0,5 MW) – habe es stets Bedenken wegen des Tourismus gegeben. Der Hintergrund aber war, so Moidls Einschätzung: „Da gab es immer massive Ablehnung, auch politische.“ Denn auch das Burgenland und NÖ hätten viel Qualitäts-Tourismus und trotzdem viel Windkraft.
Pionierland Oberösterreich im Rückstand
Eigentümlich ist die Situation in Oberösterreich. Einst war es Pionierland des Windstroms. „Adam und Eva“ heißt eine Windanlage in Eberschwang, weil sie die erste war, die in Österreich ins Netz gekoppelt wurde. Aber seit 2005 wurde in OÖ kein einziges Windrad mehr errichtet. Die Windkraft-Kapazität liegt daher nur bei 26 MW. Das ist ein Anteil von nur 2,6 % an der Gesamtwindkraft-Leistung Österreichs.
Die Steiermark hat mit 50 MW-Windkraft und 5 % Anteil Platz drei bei Österreichs Windkraft. In der Vergangenheit war ein Zonierungsplan erarbeitet worden. Die richtige Richtung, aber – so Moidl – Gemeinden, Anwohner und Grundeigentümer wurden zu spät einbezogen. Das habe den Windkraft-Ausbau zurückgeworfen.
NÖ ist und bleibt der große Vorreiter
Ganz anders ist die Lage in Niederösterreich und Burgenland. Hier gibt und gab es starke politische Unterstützung seitens der Landesregierungen. Auch die Energieversorgungsunternehmen beider Länder (EVN, Bewag) sind früh und beherzt in die Windkraft gegangen.
557 MW Windkraft-Leistung hatte NÖ bereits Ende 2010 stehen. Rund 11 Prozent des Stromverbrauchs im eigenen Bundesland werden damit bereits abgedeckt. 353 Windräder liefern Strom für 340.000 Haushalte.
Der Ausbau geht kräftig weiter. Die Errichtung von 30 Windrädern ist heuer schon fix. Ein zusätzlich riesiges Volumen in Niederösterreich setzt nun aber das neue Ökostrom-Gesetz frei, das im Juli von Bundesregierung, Grünen und BZÖ beschlossen wurde. Windkraftanlagen, die schon genehmigt sind, aber auf eine Förder-Warteliste gerutscht waren, erhalten jetzt alle noch im September ihre Förderverträge. Auch ihr Bau kann daher beginnen.
Alles zusammen sind das rund 300 MW Windkraft, die NÖ in Kürze neu bauen wird. Damit aber nicht genug. Fast alle der weiteren projektierten Windkraftanlagen, die jetzt erst in Genehmigungsverfahren sind, – rund 200 MW – werden ebenfalls in Niederösterreich errichtet.
„Ich glaube nicht“, sagt daher Stefan Moidl, „dass das Burgenland Niederösterreich bei der Windkraft jemals wirklich überholen wird. Langfristig hat NÖ deutlich mehr Potenzial, weil die Landesfläche einfach viel größer ist.“
Eine echte Zeitenwende – das Burgenland
Ebenso wie NÖ beweist auch das Burgenland echte Zukunftsfähigkeit. 2006 hat der burgenländische Landtag im Konsens aller Parteien einen weittragenden Beschluss gefasst: Energieautarkie (Selbstversorgung) des Burgenlands bis zum Jahr 2013 – und zwar mit Erneuerbaren Energien.
„Das ist eine echte Zeitenwende, eine wirkliche Energiewende“, betont Moidl, wenn man die Ausgangslage sieht. Noch vor 15 Jahren verfügte das Burgenland über kein einziges eigenes Stromkraftwerk. Der ganze Strom musste von Außen zugekauft, importiert werden.
Schon heute ist das ganz anders: Mittlerweile erzeugt Burgenlands Windkraft 50 Prozent des eigenen Strombedarfs. Ingesamt liefern die Erneuerbaren Energien – neben Windkraft vor allem Biomasse – bereits 60 Prozent des burgendländischen Stroms.
Und auch das Burgenland entwickelt den Öko-Windstrom kräftig weiter: 500 MW neue Windräder sind im Bau oder alsbald – aufgrund des neuen Ökostrom-Gesetzes. „Burgenland wird sein Ziel der Energieautarkie aus Erneuerbaren Energien bis 2013 sicher schaffen“, glaubt Moidl.
Wien – Partner der Windkraft
Auch Wien gehört zu den Zwergen der Windkraft. Zwar gäbe es auch noch Flächen, die sich für Windräder eigneten. Und die Kleinwindkraft könnte in Zukunft eine Option sein, sagt Moidl. Aber durch die stark verdichtete Bebauung ist eine Großstadt für Windkraftanlagen wenig geeignet.
Von Bedeutung ist aber das Engagement der Wien Energie in anderen Regionen. „Die Wien Energie hat immer Windstandbeine gehabt“, sagt Moidl. Sie ist an Windparks im Burgenland, der Steiermark und Niederösterreich beteiligt. Außerdem im Ausland, zum Beispiel in Polen.
Insgesamt stehen auf Wiener Boden bisher vier Windparks mit zusammen neun Windrädern und einer Leistung von 7,4 Megawatt. Das sind 0,7 Prozent der Windstromkapazität von ganz Österreich.
Der Artikel steht als pdf zum Download kostenfrei zur Verfügung:[wpdm_file id=8]
Grafik: magzin.at – Fotohintergrund: © PeJo – fotolia.com
alle andere Fotos: © IG Windkraft