Von Permakultur wird in der Region oft gesprochen. Als eine Art Zauberwort, das besseres Leben verheißt: Ethik, Nachhaltigkeit, ökologischer Gartenbau und Landwirtschaft. Was aber sind die Ideen und Ziele genau?
„Permakultur ist eine Weiterentwicklung der biologischen Wirtschaftsweise“, sagt Reinhard Engelhart, der Obmann der Permakultur Austria. Engelhart ist selbst Bio-Bauer, Absolvent der BOKU (Universität für Bodenkultur Wien) und lebt bei Herzogenburg, halben Wegs zwischen St. Pölten und Krems.
Alternativer Nobelpreis 1981 für Permakultur-Gründer
Das Wort Permakultur komme von „permanent agriculture“, erklärt Engelhart im Gespräch mit Moderne Region. Wörtlich übersetzt etwa: „dauerhafte Landwirtschaft“. Zwei Australier, Bill Mollison und David Holmgren, hatten Mitte der 1970er Jahre begonnen, diese Ideen zu entwickeln. 1981 erhielt Mollison dafür den Alternativen Nobelpreis (Right Livelihood Award).
„Ursprünglich war die Permakultur eher auf nachhaltige Landwirtschaftssysteme bezogen“, führt Engelhart weiter aus. Inzwischen gehe es aber „generell um nachhaltige, zukunftsfähige Lebensräume“. Im Blickpunkt der „Permakulturisten“, wie sie sich nennen, sind nicht mehr nur Landwirtschaft und Gartenbau, sondern auch Architektur und die Gestaltung von Dörfern und Regionen, also Raumplanung. „Die Schaffung und Erhaltung von nachhaltigen Systemen“, definiert Engelhart, „ist für mich die griffigste und kürzeste Erklärung der Permakultur“.
Wachstum und Konsum begrenzen. Die Ethik.
Eine große Rolle spiele dabei die Ethik. „Nämlich die Achtsamkeit dem Menschen gegenüber, die Achtsamkeit der Natur gegenüber, und die Begrenzung des wirtschaftlichen Wachstums.“ Und des Konsums, fügt Engelhart noch hinzu. „Die westlich-zivilisierte Gesellschaft lebt weit über die Tragfähigkeit der Natur hinaus. Wir verbrauchen viel mehr Ressourcen, als wir eigentlich verbrauchen sollten.“
Unsere jetzige Lebensweise – eng verbunden mit unserer Lebensraumgestaltung – sei nicht nachhaltig und lasse sich daher auf Dauer so nicht fortführen. „Im Sinne der Permakultur wäre da der Lösungsansatz die Begrenzung des wirtschaftlichen Wachstums und des Konsums.“
Landwirtschaft als Spiegel der Gesellschaft
Die Landwirtschaft sei ein Spiegel der Gesellschaft, erläutert Engelhart. „In Wirklichkeit haben die meisten Bauern – auch die konventionell, nicht-biologisch wirtschaftenden Bauern – die Sehnsucht, ökologisch, nachhaltig und kleinstrukturiert zu wirtschaften.“
Unser Fehler in der ganzen Gesellschaft ist, so Engelhart, dass wir stets fragen, wie kann ich noch mehr verdienen, noch mehr erwirtschaften. „In der Permakultur stelle ich mir die Frage anders. Ich sage, wieviel brauchen ich und meine Familie zum Leben?“ Das Prinzip wird umgedreht: „Bedarfswirtschaft“ – wie man das früher nannte – statt „Gewinnwirtschaft“.
Die „Wildnis-Zonen“ – der Natur etwas zurückgeben
In der Permakultur gibt es den Grundsatz, eine „Wildnis-Zone“ einzurichten. Ein Flecken Erde, der nicht bearbeitet wird, sondern wild wachsen darf. „Darin kommt auch ein geistiger Zugang zum Ausdruck. Man gibt einen Teil der Natur zurück.“ Andererseits dient die Wildnis-Zone der Beobachtung der Natur. „Dort sehe ich, aha, wie spielen die Insekten mit den Pflanzen, allen Bodenlebewesen zusammen. Was ergibt sich daraus.“
Er habe schon viel daraus lernen können, sagt Engelhart. Auch für den Bio-Spargel-Anbau, den er auf seinem Hof betreibt. Alle Pflanzenschutzberater hatten ihm einst versichert, Spargel könnte ohne Kunstdünger und Spritzmittel nicht gedeihen. Inzwischen weiß er, dass das sehr wohl geht. Auch aufgrund dieser eigenen Beobachtungen. „Wenn ich Pflanzenschutz spritzen würde, würde ich mir auch die Marienkäfer vernichten. Dann hätte ich niemanden, der mir die Spargelkäfer im Gleichgewicht hält. Das war zum Beispiel für mich eine wichtige Beobachtung.“
Alles ist ein System. Die vier Prinzipien
Alles ist ein System, in dem alles mit allem zusammenhängt. Die Systemtheorie ist für die Permakultur ganz wesentlich. „Es ist gleich viel, bei welcher Schraube du zu drehen anfängst. Wenn du irgendwo zu drehen anfängst, verändert sich das gesamte System.“
Zu vier Prinzipien fasst Engelhart die zwölf Grundsätze der Permakultur zusammen: das ökologische Prinzip, das ökonomische, technische und das soziale Prinzip. In Sachen Technik gehe es um „angepasste Technologien“. Das heißt um geringstmöglichen technischen Aufwand, nicht um stets neueste Technik um jeden Preis. Schon deswegen, um finanzielle Belastungen und Zwänge gering zu halten. Für viele Bauern weltweit liegt da eine gefährliche Schuldenfalle.
Viele Funktionen zugleich sind besser
Das ökologische Prinzip der Permakultur: Jedes Element erfüllt mehrere Funktionen. Je mehr Funktionen ein Element übernehmen kann, desto besser. Engelhart nimmt das Beispiel Luzerne: Sie sei Futter, decke den Boden, durchlockere den Boden, baue ihn auf, binde Nährstoffe, bilde Humus.
Anderes Beispiel: Ein Teich habe nicht nur Wasserspeicherfunktion, sondern sei auch Erholungsraum für den Menschen und schaffe neuen Lebensraum für Tiere. „Der Hintergedanke ist, einen Lebensraum so zu gestalten, dass jedes Element darin mehrere Funktionen erfüllt. Und je mehr Funktionen es erfüllt, desto vielfältiger und tragfähiger wird das Gesamtsystem.“
Kaskadennutzung & das wichtige soziale Prinzip
Das ökonomische Prinzip der Permakultur lautet „Kaskadennutzung“. Das sei zugleich ein Naturprinzip, denn die Natur produziere keinen Abfall, erläutert Engelhart. Das heißt: Wiederverwertung, Recycling. Vermeintlicher Abfall soll, wo immer es geht, neu verwertet werden.
Als Viertes schließlich das soziale Prinzip. „Es macht für mich die Permakultur besonders spannend“, betont Engelhart. Das soziale Prinzip bedeutet, dass „man hauptsächlich in Gemeinschaft arbeitet und dass man versucht, regionale Gemeinschaften zu leben“. Bis hin zum Aufbau regionaler Wirtschaftskreisläufe. „Wo die Menschen, die damit verbunden sind, sich aber auch noch persönlich kennen.“
Anders als konventionell, mehr als Bio
„Der Boden hat für mich Partnerfunktion. Ich sehe ihn als eigenes Lebewesen“, beschreibt Engelhart seine tiefere Sichtweise. „Das ist er ja auch, wenn man bedenkt, dass auf einem Hektar Boden bis zu 25 Tonnen kleiner Lebewesen zu Hause sind.“
Konventionell möchte er keinesfalls mehr wirtschaften. „Das wäre mir zu wenig. Da geht es nur noch um Betriebsmitteleinsatz auf Produktionsgütern.“ Aber auch seine Abgrenzung zur übrigen Bio-
„Die Permakultur ist die umfassendere Form gegenüber allen anderen, letztlich vor allem materiell orientierten Nachhaltigkeitskonzepten“, meint Engelhart. Artgerechte Tierhaltung, Verzicht auf Kunstdünger und Spritzmittel seien grundlegend wichtig. Aber es brauche mehr. Es brauche auch „die soziale Dimension des Miteinanders. Und auch die Anwendung von Technik soll nachhaltig und zukunftsfähig sein.“
Früchte sind Geschenk, der Mensch ist Teil – die geistig-spirituelle Dimension
Die Permakultur enthält auch eine geistig-spirituelle Dimension, macht Engelhart im Gespräch einige Male deutlich. „Ich sehe den Boden nicht nur als meine Existenzgrundlage, sondern ich sehe ihn als Lebensform, für die ich die Verantwortung habe, dass die zukunftsfähig und dauerhaft bewirtschaftet wird. Und damit bin ich bei der Spiritualität – ich bin einfach Teil eines Gesamtlebenssystems. Und die Früchte sind ein Geschenk. Da gehört dann auch ganz, ganz stark der Aspekt der Dankbarkeit dazu.“
weitere Infos zu „Permakultur Austria“ unter:
www.permakultur.net